Irgendwo dazwischen (komplett)
bewundere dich. Und das wird sich niemals ändern.
Deine
Emma
Ich stecke
den Brief in einen kleinen Umschlag und schreibe Leni in Großbuchstaben
auf die Vorderseite. Ich stehe auf und gehe zur Tür. Ich bin allein zu Hause.
Alles ist still. Und ich genieße die Stille und die kühlen Fliesen unter meinen
nackten Füßen, als ich zu Lenis Zimmer gehe. Ich öffne die Tür. Und da sitzt
sie. Und weil ich damit nicht gerechnet habe, stehe ich einfach nur im
Türrahmen und starre sie an.
„Kannst du
nicht klopfen?“ Sie sitzt auf ihrem Bett und lehnt an der Wand. Auf ihren Knien
ein dickes Buch. Leni konnte sich schon immer still beschäftigen. „Ich habe
dich etwas gefragt...“, fragt sie scharf.
„Ähm, tut
mir Leid... ich dachte, ich wäre allein zu Hause...“
„Ach, und
was wolltest du bitte in meinem Zimmer, wenn du dachtest, ich wäre nicht da?“
Ich hätte nicht gedacht, dass der Tonfall von eben an Schärfe noch zu
übertreffen wäre, doch mit diesem Satz hat sie mir gezeigt, dass das eben noch
gar nichts war. Wortlos gehe ich auf sie zu und halte ihr meinen Brief
entgegen. Und die Tatsache, dass ich sie nicht anschreie, sondern schweige,
scheint ihr den Wind aus den Segeln zu nehmen. Vielleicht ist sie aber auch
einfach nur deswegen perplex, weil ich ihr einen Brief entgegenstrecke. Lange
stehe ich so da, mit einem ausgestreckten Arm und warte darauf, dass sie meinen
Brief nimmt. Und lange bewegt sie sich keinen Millimeter. Die Situation ist
ähnlich wie dieses blöde Spiel, wo derjenige verliert, der zuerst blinzelt.
Hier geht es anscheinend darum, sich nicht zu bewegen. Der, der sich zuerst
bewegt, ist inoffiziell der Verlierer. Und Leni, das werde nicht ich sein, also
streck schon deinen Arm aus und nimm meinen Brief. Und so, als hätte sie meine
Gedanken gelesen, streckt sie die Hand aus und nimmt ihn.
Noch bevor
sie mich fragen kann, was das für ein Brief ist, drehe ich mich um und verlasse
ihr Zimmer. Jetzt gibt es kein Zurück mehr. Jetzt hat sie den Brief. Bis vor
ein paar Minuten hätte ich mich noch drücken können. Ich hätte den Brief
zerreißen und im Klo runterspülen können Dann wäre es eben bei der stillen
Verachtung geblieben, die Leni seit langem für mich hegt. Doch sie war zu
Hause. Und sie hat den Brief genommen. Sie ist vermutlich gerade dabei, ihn zu
lesen. Und das macht mich nervös. Sehr sogar.
Lili
„Wie war
es?“, frage ich neugierig.
„Unbeschreiblich...“
„Ja?“
„Ja.“ In
ihrer Stimme ist ein schmachtender Unterton zu hören. „Er ist einfach
unbeschreiblich im Bett... ich meine, er scheint meinen Körper besser zu
kennen, als ich...“
„Also, er
hat dich geküsst, und du hast den Kuss erwidert... und dann?“
„Wir haben
uns ausgezogen... aber dieses Mal nicht langsam und zärtlich, sondern fast ein
bisschen panisch... Ich habe ihn in die Kissen gedrückt, und bin langsam nach
unten geglitten...“
„Du hast
ihm... einen geblasen ?“, frage ich flüsternd. Und obwohl ich das leise
frage, schauen die beiden Frauen vom Nachbartisch interessiert zu uns hinüber.
Sie sitzen uns praktisch auf dem Schoß.
„Ja...“
„Und? Ich
meine, war es dir angenehm?“
„Ja, das
war es... mehr als das...“
„Und dann?“
„Dann habe
ich mich auf ihn gesetzt...“ Sie nimmt einen Schluck von ihrem inzwischen
warmen Eistee. „Ich muss sagen, ich mag es, wenn ich oben bin... es war einfach
absolut...“
„Unbeschreiblich...“,
beende ich nach einer Weile ihren Satz. Und ich weiß, dass sie in Gedanken auf
ihm sitzt. Ich sehe es ihr an. In diesem Moment schläft sie mit ihm, und es
würde mich nicht wirklich wundern, wenn sich gleich hier und jetzt eine Harry
und Sally Orgasmus-Szene abspielen würde, nur dass Marie ihren Orgasmus
nicht vortäuschen würde. Ihr Blick ist abwesend. „Marie?“
„Oh,
’tschuldige...“
„Schon
okay...“ Ich muss grinsen. Alles hätte ich für möglich gehalten, doch das
nicht. Nie im Leben.
„Na,
jedenfalls haben wir die ganze Nacht miteinander geschlafen...“
„Die ganze
Nacht?“, platzt es aus mir heraus. Und die beiden Frauen vom Nebentisch starren
uns an. Marie nickt. „Und du kannst noch...“, dann wende ich mich zu den beiden
Frauen, „Entschuldigen Sie bitte, aber das ist eine private Unterhaltung...“
Verschämt schauen sie wieder weg. Aber ich weiß, dass sie mit einem Ohr noch
immer zuhören. „Du kannst noch laufen?“, flüstere ich.
„Natürlich
nicht nonstop...“
„Wie
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