Irgendwo dazwischen (komplett)
was?“
„Ach, Paul...“
„Du... was?!“
Ich kann ihn nicht länger ansehen. Ich weiß nicht warum, aber es
geht nicht. Vielleicht wollte ich es ihm nicht sagen, weil ich Angst davor
hatte, wie er reagieren würde. Und nun weiß ich, dass diese Angst berechtigt
war. Ich drehe mich um und gehe in mein Zimmer.
Ich liege in meinem Bett und warte darauf, die Wohnungstür ins
Schloss fallen zu hören. Aber ich höre nichts. Gar nichts. Hätte ich doch die
Tür offen gelassen, dann könnte ich ihn sehen. Ich habe sie aber nicht offen
gelassen. Sie ist zu. Und sie steht zwischen uns. Zwischen ihm und mir. Ich
schlucke meine Tränen hinunter. Ich schlucke sie hinunter, damit er mich nicht
hört, und ich bin froh, dass er sie nicht sieht. Dann plötzlich höre ich
Schritte. Und ich kann nicht sagen, ob sie von meinem Zimmer weg führen oder zu
ihm hin. Und dann geht die Tür auf. Erst nur einen Spalt, dann öffnet er sie
ganz. Das Licht aus dem Flur fällt auf mein Bett und auf mein Gesicht. Ich kann
ihn nicht sehen, sein Gesicht ist ein einziger schwarzer Fleck.
Er kommt zu meinem Bett. Und er geht so langsam, dass es mir wie
eine Ewigkeit erscheint, bis er sich endlich mir gegenüber hinsetzt. Lange
sitzen wir nur da und schweigen. Doch dieses Schweigen ist drückend. Es liegt
wie Blei auf uns. Es ist schwer und kalt. Dann endlich räuspert er sich.
„Du liebst mich?“
„Ja.“
„Sag es...“ Es fällt mir schwer, weil ich nicht weiß, was er dann sagen
wird. Weil ich nicht weiß, ob es nicht schon längst zu spät ist. „Bitte sag
es...“
„Ich liebe dich, Paul.“ Und als ich es erst einmal gesagt habe,
ist es nicht mehr schwer. Jetzt könnte ich es immer und immer wieder sagen.
Kein Blei mehr. Die Luft ist wieder federleicht. „Ich liebe dich.“ Aber mit
jeder Sekunde, die er nicht antwortet, gewinnt die Luft wieder an Gewicht.
„Ich kann das nicht fassen.“ Gott sei Dank, er hat etwas
gesagt. „Ich meine...“ Er schaut mich nicht an. Und ich deute das so, dass er
es nicht erwidern kann. Ich habe ihm mein Herz auf dem silbernen Tablett
serviert. Aber es ist zu spät. Ein Jahr zu spät. Und er schweigt.
„Da ich es dir gesagt habe, kannst du jetzt auch wieder gehen...“
Und dann, ganz plötzlich zieht er mich an sich und
küsst mich. Es ist so plötzlich, dass ich im ersten Moment gar nicht begreife,
was passiert. Es ist ein nasser Kuss. Ein unbeholfener Kuss. Es ist ein Kuss
voller Tränen. Und ganz plötzlich ist es da. Das Wir.
Lili
Ich gehe
über den Marienplatz. Und ich bin gespannt. Ich frage mich, ob Marie mit ihm
geredet hat oder nicht. Wäre ich sie, hätte ich es sicher vor mir hergeschoben.
Man weiß schließlich nie, was der Andere sagen wird. Und es könnte wehtun. Es
muss nicht, aber es könnte. Und dann neigt man dazu, den feigen Weg zu gehen.
Ich hoffe, Marie ist da anders. Denn es nicht zu wissen ist eigentlich
schlimmer als Ablehnung zu erfahren. Und vielleicht geht es dem Anderen
genauso. Wenn aber beide den feigen Weg wählen, werden sie es nie wissen oder
sie reden nach vielen Jahren darüber und wünschten, sie hätten sich getraut.
Denn dann ist es womöglich zu spät.
Das mit
Elias und mir ist ein treffendes Beispiel. Ich meine, wir beide empfinden so
viel für einander. Aber wir hätten nichts gesagt. Weder er noch ich. Die
Hindernisse schienen zu groß. Und wenn es nicht die Hindernisse waren, dann war
es eben die Feigheit. Ich kann es jedenfalls verstehen, dass man den feigen Weg
wählt. Denn auch wenn er trist und einsam ist, er ist leichter zu gehen, wenn
man mal von der Last der Gefühle und der andauernden Frage absieht, ob man
nicht vielleicht doch hätte handeln sollen. Vielleicht ist er doch nicht
leichter. Aber er scheint einfacher, und deswegen ist er so verlockend. Es ist
schon schade, dass es meistens unsere Angst ist, die uns bremst. Und
gleichzeitig ist Angst so wichtig. Trotzdem sollte sie unser Handeln nicht
dominieren.
Marie
Ich sitze
unter einem grünen Sonnenschirm und schlürfe an meinem Eistee. Die Sonne wärmt
meinen Rücken, und ich beobachte das geschäftige Treiben der Kellner. Lili ist
noch nicht da. Aber das macht nichts. Es ist ein wunderschöner Tag. Ein
perfekter Tag. Ich hole mein Handy aus der Tasche und lese zum mindestens
zehnten Mal eine SMS von Paul.
Mein
Leben ist auf einmal ein Wunschkonzert. Alles ist bunt, alles ist schön… Es
fühlt sich an, als reite ich auf Wolken... die Nacht mit dir war
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