Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Irgendwo dazwischen (komplett)

Irgendwo dazwischen (komplett)

Titel: Irgendwo dazwischen (komplett) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Freytag
Vom Netzwerk:
Als die, die sie das spüren lässt.
    „Und was
ist daran naiv?“ In ihren Augen erkenne ich, dass ich sie verletzt habe.
    „Lili,
meine Mutter hat diesen plumpen Satz zig Mal zu meinem Vater gesagt... sie hat
ihm ihre Liebe öffentlich geschworen, mit Kirche und allem. Und nach wenigen
Monaten hat sie sich in die Arme fremder Frauen geflüchtet.“ Sie schweigt. „Es
sind Worthülsen...“
    „Und nur,
weil deine Mutter es nicht ernst gemeint hat, heißt das, der Satz bedeutet gar
nichts?“
    „Sie ist
doch nur ein Beispiel...“
    „Willst du
damit sagen, dass Elias nicht meint, was er sagt?“
    „Nein, das
will ich nicht... ich will damit sagen, dass der Satz nicht so viel bedeutet.
Das, was Menschen tun, ist von Bedeutung. Denn einen Satz zu sagen ist
weniger anstrengend, als Liebe zu zeigen...“
    „Und ein
Kuss zeigt Liebe?“
    „Natürlich
nicht jeder Kuss...“
    „Aber Pauls
Kuss tut es, ja?“, fragt sie boshaft.
    „Warum
kannst du dich nicht einfach für mich freuen?“
    „Na, weil
ich finde, er hat es sich einfach gemacht.“
    „Nur, weil
er die heiligen drei Worte nicht gesagt hat?“
    „Verarsch
mich nicht...“
    „Doch,
Lili, genau das tue ich... Ich weiß, dass Paul mich liebt. Ich brauche da
keinen Satz dafür... Einen Satz, der total abgedroschen ist, und der doch nicht
aussagen kann, was man fühlt.“
    „Sicher
geht es primär darum, dass man Liebe zeigt, aber es ist doch trotzdem schön,
wenn man es hört... du zum Beispiel weißt, dass du mir wichtig bist, heißt das
deswegen, dass du es nie wieder von mir hören willst? Ach, komm Marie...“
    „Wenn du
mir zeigst, dass ich wichtig bin, indem du für mich da bist, ist der Satz nicht
so entscheidend.“
    „Ich glaube
trotzdem, dass wir es hören wollen. Wir wollen es fühlen und hören... Hättest
du ihm denn eins übergezogen, wenn er es gesagt hätte?“
    „Nein“,
sage ich ruhig.
    „Na, also.
Da hast du’s. Ich denke, es ärgert dich, dass er es nicht gesagt hat.“
    „Lili, er
hat es mir vor einem Jahr schon gesagt... und die Art, wie er mich geküsst hat,
sagt dasselbe...“ Sie ist still. Und ich sehe ihr an, dass sie nach einem
Gegenargument sucht. „Dich verstört, dass es ein Mann ist, richtig?“ Erst
reagiert sie nicht, dann schließlich nickt sie. „Würde ich von einer Frau
sprechen, nennen wir sie Paula, dann würde dich das weniger stören...“
    „Es stört
mich nicht, dass es Paul ist und nicht Paula. Es ver stört mich. Das ist
ein Unterschied.“
    „Lili,
denkst du denn nicht, dass das für mich mindestens genauso komisch ist?“
    „Ich weiß
es nicht. Vor zwei Wochen liebst du noch mich, und jetzt liebst du Paul?“
    „Geht es
darum, dass dein guter alter Liebesbrunnen Marie nun erschöpft ist? Geht es
darum, dass ich nun nicht mehr dir meine Liebe schenke, sondern Paul?“
    Sie schaut
zu Boden. „Ja, vielleicht...“
    „Ich
dachte, du würdest dich für mich freuen...“
    „Kannst du
das nicht verstehen? Eben war er nur Paul. Und plötzlich ist er dein Freund.
Ihr seid doch zusammen, oder?“ Ich nicke. „Genau, und du hast mir nicht einmal
erzählt, dass da vor einem Jahr schon etwas war.“
    „Lili, es
gibt auch viel, das du mir nicht sagst...“
    „Ach ja,
und was?“
    „Woher soll
ich das wissen? Du erzählst mir sicher auch nicht alles...“
    „Ich
erzähle dir alles, was wichtig ist.“
    „Das mit
Elias hast du nicht zugegeben...“
    „Aber du
wusstest es.“
    „Ja, weil
ich dich kenne...“
    Lange sagen
wir nichts. „Wenn nicht bald ein Kellner kommt, werde ich richtig wütend...“
    Ich halte
ihr meinen Eistee hin. „Danke.“ Sie nimmt einen Schluck.
    „Was ist
los, Lili?“
    „Ich weiß
nicht...“ Das scheint die erste ehrliche Antwort zu sein. „Hast du mit ihm
geschlafen?“ Ich nicke. „Und, war es schön?“
    „Es war
unbeschreiblich.“
    „Ja?“
    „Ja.“
    „Ist es
nicht seltsam, plötzlich mit einem Mann zu schlafen?“
    „Seltsamerweise
nicht...“
    „Er hat
Glück...“, sagt sie leise.
    „Elias
auch.“
    Dann
endlich kommt ein Kellner, und wir bestellen. Es ist eine seltsame Stimmung,
aber nicht im Sinne von schlecht. Seltsam eben... Und ich denke, Lili kann
schwer damit umgehen, dass nicht länger sie die Nummer eins ist. Denn das tut
weh. Ich weiß das. Man ist gerne für jemanden die wichtigste Person. Sogar
dann, wenn das nicht auf Gegenseitigkeit beruht. Sie denkt, sie verliert mich.
Und bei den anderen Frauen wusste sie, dass insgeheim sie meine

Weitere Kostenlose Bücher