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Irgendwo dazwischen (komplett)

Irgendwo dazwischen (komplett)

Titel: Irgendwo dazwischen (komplett) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Freytag
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ich wäre so wie du, damit sie nur einmal mich so
ansehen, wie sie es bei dir immer tun. Andererseits gehasst, weil ich wusste,
dass ich nie wie du werden würde. Denn dann wäre ich nicht mehr ich, sondern
nur eine Kopie von dir.
    Ein paar
Tage später hatten wir beide dann Streit. Wir standen im Bad und haben uns
wegen einer Banalität in die Haare gekriegt. Es war so unwichtig, dass ich mich
nicht einmal mehr daran erinnere, worum es ging. Ich weiß nur noch, dass du
mich mit einem verachtenden Blick angesehen und mich minderbemittelt genannt
hast. Und dazu hattest du kein Recht. Das hättest du nicht tun dürfen.
    Nach
diesem Streit wollte ich dir wehtun. Ich wollte dir den Schmerz zufügen, den
die Worte unserer Eltern und dieses klitzekleine Wort aus deinem Mund mir
zugefügt haben. Und weil ich dir eigentlich in nichts das Wasser reichen kann,
habe ich das Einzige getan, was ich besser kann als du. Ich habe die eine
Sache, die mir mehr liegt als dir, gegen dich verwendet. Ich habe Timo
angemacht. Und das auf die hinterhältigste Art und Weise. Ich wollte, dass er dich
verlässt, und ich wollte, dass er mich will. Mich und nicht dich. Und es hat
funktioniert. Nicht einmal drei Tage später hat er dich in den Wind geschossen.
Einfach so.
    Ich muss
auch zugeben, dass ich zu jener Zeit kein schlechtes Gewissen hatte. Auch nicht
als ich mit ihm geschlafen habe. Ich habe den Gedanken genossen, dass du leiden
würdest. Doch als du dann tatsächlich gelitten hast, habe ich es nicht
genossen. Als es kein Gedanke mehr, sondern Realität war, hatte ich
unbeschreibliche Schuldgefühle. Als ich deine Tränen gesehen habe, haben sie
mir fast körperliche Schmerzen zugefügt. Jede einzelne. Meine Schuldgefühle
haben mich langsam von innen aufgefressen. Deswegen habe ich mit Timo Schluss
gemacht.
    Und auch
wenn er dir etwas anderes erzählt hat, als ich ihn verlassen habe, hat er
geweint. Er hat mich angefleht, es mir zu überlegen, weil er sich so sehr in
mich verliebt habe. Und auch noch in der Zeit, als er versucht hat, dich
zurückzugewinnen, hat er mir Briefe geschrieben.
    Erinnerst
du dich an den großen Blumenstrauß, den ich zum Valentinstag bekommen habe?
Den, den ich dann unserer Nachbarin geschenkt habe? Er war von Timo. Ich
schreibe dir das nicht, um dir noch mehr wehzutun, sondern damit du siehst,
dass nicht nur ich ein schlechter Mensch bin. Er ist nicht besser gewesen. Und
die Art, wie er über dich geredet hat, war auch nicht wirklich charmant. Damit
will ich nicht sagen, dass du mir eigentlich dankbar sein solltest. Aber er war
nicht der, der er vorgegeben hat zu sein. Und das ist die Wahrheit. Ich habe
die Briefe noch. Wenn du sie lesen willst, kannst du das gerne tun. Wenn nicht,
dann könnten wir sie vielleicht irgendwann gemeinsam verbrennen? Oder du
könntest sie lesen, und wir verbrennen sie dann?
    Ich
wünsche mir von ganzem Herzen, dass du mir irgendwann verzeihen kannst. Und ich
wünsche mir, dass du meinen Grund vielleicht sogar ein klein wenig verstehst.
Ich weiß, du hättest nie getan, was ich getan habe. Deswegen sind unsere Eltern
schon immer stolz auf dich gewesen und nie stolz auf mich. Sie hatten schon
ihre Gründe. Und ich weiß nicht nur, dass du es nie getan hättest, ich weiß,
dass du es nicht getan hast. Vielleicht bin ich ja wirklich nicht die Hellste,
aber ich habe schon bemerkt, dass Clemens dir nicht abgeneigt gewesen wäre.
    Aber du
bist nicht ich. Rache hast du nicht nötig. Denn Rache ist für Leute mit weniger
Charakter, für kleinere Leute. Eben für Leute wie mich.
    Ich
erwarte nichts von dir. Ich wollte mich nur bei dir entschuldigen. Mehr noch,
ich wollte dich um Verzeihung bitten. Ich wollte dir sagen, dass ich mich nie
so schäbig gefühlt habe, und dass ich mir die Tatsache, dir so unendlich
wehgetan zu haben, selbst nie verziehen habe. Doch ich denke, es ist an der
Zeit, Fehler einzugestehen. Und das ist der gravierendste Fehler, den ich vor
mir und nun auch vor dir zu rechtfertigen habe.
    Leni,
ich habe dich enttäuscht. Und ich habe mich enttäuscht. Doch ich denke, dass
ich mir verzeihen muss, wenn ich weiter machen will, und das kann ich nur, wenn
ich dich um Verzeihung bitte. Und auch wenn du mir nicht verzeihst, so weißt du
jetzt wenigstens, dass es mir unendlich Leid tut. Und du weißt, warum ich es
getan habe und dass Timo durch und durch ein Lügner war. Kurz, du kennst nun
die Wahrheit. Oder zumindest meine Sicht der Wahrheit.
    Ich
liebe dich Leni. Und ich

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