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Irgendwo dazwischen (komplett)

Irgendwo dazwischen (komplett)

Titel: Irgendwo dazwischen (komplett) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Freytag
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stimmt’s?“ Ich nicke. „Hör mal, Lili...“
    „Nein,
warte Marie...“, unterbreche ich sie. „Es tut mir Leid...“
    „Was tut
dir Leid?“
    „Es tut
irgendwie weh festzustellen, dass nicht ich, sondern Paul dein Elias ist... das
gibt mir aber nicht das Recht, so einen Mist zu reden... Ich meine, Paul soll
dir doch seine Liebe gestehen, wann und wie er es will. Verstehst du, ich habe
Angst, dass ich einfach nur noch eine von vielen bin...“ Sie schaut mich an.
Und in ihren Augen sehe ich Verständnis. „Bei dir war es immer toll, Lili zu
sein und jetzt ist es plötzlich so... so banal...“
    „Lili...“
    Ich hole
tief Luft. „Ja?“
    „Du bist
nicht eine von vielen, und das wirst du nie sein. Von allen Frauen, die es
gibt, bist du sicher mein Elias. Aber von allen Menschen ist es Paul. Und das
überrascht mich mindestens genauso wie dich...“ Sie lächelt.
    „Warum
kenne ich ihn nicht?“
    „Wenn ich
ehrlich bin, habe ich keine Ahnung.“
    „Und wann
lerne ich ihn kennen?“
    „Bald...“
    „Und wie
bald?“
    „Das kommt
auf dich an.“
    „Vielleicht
morgen?“ Marie lächelt. „Aber erst musst du mir etwas von letzter Nacht erzählen...“
     
    Emma
    Nun gut.
Wie schreibt man der Schwester, dass man immer eifersüchtig auf sie war? Wie
gesteht man, dass man so tief gesunken ist, mit jemandem zu schlafen, nur um
einem anderen damit wehzutun? Und wie schafft man es, dass die hintergangene
Person einen versteht? Was müsste Leni schreiben, damit ich ihr verzeihe?
Einmal davon abgesehen, dass Leni so etwas nie tun würde. Denn Leni ist Leni.
Und Leni hält sich an ihre Prinzipien. Sie misst nicht nach zweierlei Maß, so
wie ich das tue. Sie ist eben einfach der edlere Mensch. Und sie hat seit ihrer
Geburt vermittelt bekommen, dass sie perfekt ist. Genauso, wie sie ist. Und das
hat sie zu einem viel sichereren Menschen gemacht, als ich es bin. Eigentlich
sind meine Eltern schuld. Sie sind die, die ihre Liebe unfair verteilt haben.
Manchmal denke ich, sie haben das absichtlich getan. Jeder braucht jemanden, an
dem er sich abreagieren kann. Und das traurige letzte Glied der Hackordnung in
unserem Hause war ich. Und das schon immer.
    Im
Hintergrund läuft der Soundtrack von Love Song for Bobby Long . Das ist
die nötige Dosis Melancholie, die ich brauche, um einen solchen Seelen-Strip
hinzulegen.
    Liebe
Leni,
    ich
hätte diesen Brief schon vor langer Zeit schreiben sollen. Eigentlich sollte
ich nicht so feige sein, ich hätte schon lange mit dir darüber reden sollen.
Persönlich. Und noch ehrlicher wäre, es gleich zuzugeben, dass ich wünschte, es
gäbe gar keinen Anlass für ein ernstes Gespräch oder einen solchen Brief. Aber
es ist nötig, und es ist an der Zeit, wenn nicht schon längst überfällig.
    Ich habe
dir wehgetan, und das mit voller Absicht. Ich wollte dir wehtun, und ich
wusste, dass es dir das Herz brechen würde, wenn Timo dich meinetwegen
verlässt. Ich wusste, du liebst ihn. Da ich die Wahrheit sagen will, gebe ich
alles zu. Ich weiß, du denkst, wir haben nicht miteinander geschlafen. Aber das
ist nicht wahr. Timo und ich waren nicht einmal eine ganze Woche zusammen, aber
ich habe gleich in der ersten Nacht mit ihm geschlafen. Ich habe ihn verführt.
Und ich habe es genossen, dass er mich dir vorzieht.
    Und
vielleicht denkst du, ich hatte keinen Grund, aber den hatte ich, auch wenn
dieser Grund keine Rechtfertigung ist. Und zugegeben, es ist ein armseliger
Grund, aber genauso armselig habe ich mich gefühlt. Und vielleicht habe ich
mich nicht nur so gefühlt. Vielleicht war und bin ich es.
    Ich weiß
nicht, ob du dich daran erinnerst. Es ist schon länger her. Du hast dich mit
Mama und Papa im Wohnzimmer unterhalten. Sie haben von mir geredet. Sie haben
dir erzählt, dass bei mir nachgeholfen werden musste, damit ich am Gymnasium
akzeptiert werde. Sie haben dir erzählt, dass ich ja an sich nichts dafür
könnte, dass ich weniger intelligent sei. Sie haben gesagt, dass es vielleicht
falsch war, mich auf eine so anspruchsvolle Schule zu schicken... Ich stand in
der Küche und habe jedes Wort gehört. Und als ob die Tatsache, dass sie so von
mir denken, nicht gereicht hätte, haben sie es auch noch dir erzählt. Wie
konnten sie das tun? Wie konnten sie ihrer perfekten und hochintelligenten
Tochter das erzählen? Gerade dir... Solange ich denken kann, war ich der Dorn
im Auge, du das Mark der Erde. Ich habe dich bewundert und gehasst. Bewundert,
weil ich mir gewünscht hätte,

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