Irgendwo dazwischen (komplett)
belesen auch, aber sonst? Er
studiert ja auch Literaturwissenschaft... da sollte er belesen sein. Und
zugegeben, er sieht nicht übel aus, aber so gut nun auch wieder nicht.
Vergraben
in meinen Gedanken, schlendere ich in den Hugendubel. Und ich gehe nie in den
Hugendubel, denn dort gibt es nur Bücher zu kaufen. Und ich kaufe keine Bücher.
Warum auch? Ich habe ein paar Bücher angefangen und keines zu Ende gelesen.
Warum gehe ich dann jetzt rein? Kurz spiele ich mit dem Gedanken, wieder zu
gehen. Doch ich tue es nicht. Stattdessen inhaliere ich den Duft von Büchern.
Es ist ein schöner Duft. Der Trubel der Innenstadt hat mich hierher getragen.
Hier ist es ruhig und kühl. Und ich genieße die Stille. Ziellos wandere ich
umher. Ich schaue mich um. Romane sind im Obergeschoss. Also fahre ich nach
oben. Es ist fast schon unheimlich, wie viele Bücher es gibt. Regale vollgestopft
mit Fachliteratur, Sachbüchern, Romanen, Kinderbüchern... Und hinter jedem
dieser Bücher steckt ein Mensch. Jemand, der Wort für Wort zu Papier gebracht
hat. Und nun stehen all die Werke hier und wetteifern um Käufer.
Ich werde
mir ein Buch kaufen. Nicht gerade Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins .
Lieber etwas Leichteres, etwas, das zu mir passt. Aber was passt zu mir? Ich
gehe zur Information. Hinter dem Tresen sitzt eine junge Frau und tippt etwas
in den Computer ein. Sie schaut hoch.
„Kann ich Ihnen
helfen?“ Ihre Stimme ist sanft und freundlich.
„Das hoffe
ich...“ Ich seufze.
„Sagen Sie
mir einfach, was Sie suchen, und ich werde es für Sie finden...“ Sie lächelt.
„Wenn ich
ehrlich bin, weiß ich nicht genau, was ich suche...“
„Hm...
Nicht einmal eine Richtung?“ Ich schüttle den Kopf.
„Wissen
Sie, um ganz ehrlich zu sein, habe ich noch nie ein Buch zu Ende gelesen, und
ich bin hier, um ein Buch zu finden, dass mich so fesselt, dass ich es zu Ende
lesen werde.“
„Vielleicht
eine Komödie?“
„Nein, es soll
schon was Anspruchsvolles sein.“
Sie steht
auf. „Dann lassen Sie uns mal nach einem guten Buch suchen...“ Unbeholfen gehe
ich hinter ihr her. Ich frage mich, was sie wohl von mir denkt. Vielleicht
hätte ich lieber nicht sagen sollen, dass ich noch nie ein Buch zu Ende gelesen
habe. Plötzlich bleibt sie stehen. „Also, dieses Buch...“, sie nimmt ein Buch
und hält es mir entgegen, „...habe ich verschlungen ...“
Ich nehme
es. „ Das Parfum ?“ Sie nickt. Ich drehe das Buch um und lese den
Klappentext.
„Sie werden
es lieben.“
„Meinen
Sie?“
Sie nickt.
„Ganz bestimmt... Ach, ja, da fällt mir noch eines ein... Kommen Sie...“ Ich
folge ihr.
„ Der
Fänger im Roggen ...?“
„Dieses
Buch ist unbeschreiblich...“ Als ich sie ungläubig ansehe, lächelt sie mich an
und sagt, „…Glauben Sie mir...“ Sie scheint viel zu lesen, denn ein paar
Sekunden später schleift sie mich schon zum nächsten Regal. Und wieder findet
sie ein Buch, das ich unbedingt lesen sollte. „ Die Buddenbrooks ist ein
wirklich bedeutendes Buch... Es ist vielseitig und unterhaltsam. Ich finde,
jeder sollte es gelesen haben. Ist Ihr Englisch eigentlich gut genug, um
englische Bücher zu verstehen?“
„Ich denke
schon, das kommt auf das Niveau an...“
„Weil der
Fänger im Roggen auf Englisch wirklich viel besser ist.“ Sie drückt mir die
englische Ausgabe in die Hand und nimmt mir die deutsche aus der Hand.
Eine
dreiviertel Stunde später stehe ich an der Kasse. Und ich kaufe nicht nur ein
Buch, ich kaufe fünf. Das Parfum von Patrick Süskind, Die
Buddenbrooks von Thomas Mann, The Catcher in the Rye von J.D.
Salinger, Elf Minuten von Paulo Coelho und den ersten Band von Harry
Potter . Den muss ich auch auf Englisch lesen, hat die Verkäuferin gesagt.
Also tue ich das.
„Das macht
dann 57 Euro und 65 Cent.“ Entgeistert schaue ich die Kassiererin an.
„Ähm, einen
Moment bitte...“ Ich strecke ihr meine EC-Karte entgegen.
„Da haben
Sie eine wirklich gelungene Auswahl getroffen...“
„Finden
Sie?“ Sie nickt. „Vielen Dank...“ Ich unterschreibe auf der Rückseite des
kleinen Zettels, dann reicht sie mir die Tüte und wünscht mir einen schönen
Abend. „Den wünsche ich Ihnen auch...“
„Und viel
Spaß beim Lesen...“ Ich nicke und gehe schwer beladen aus dem Geschäft.
In der Tram
greife ich blind in die Tüte und gleite mit den Fingerkuppen über jedes
einzelne Buch. Dann entscheiden meine Finger, dass ich mit dem Buch, das sie
gerade abtasten, anfangen
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