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Irgendwo dazwischen (komplett)

Irgendwo dazwischen (komplett)

Titel: Irgendwo dazwischen (komplett) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Freytag
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sollte. Ich ziehe es hervor. Elf Minuten . Nun
gut. Ich atme tief durch, dann öffne ich es und fange an zu lesen. In der
Sekunde, als ich es öffne, bin ich mir sicher, dass ich es nach drei Seiten
wieder schließen werde, weil es mich wie alle seine Vorgänger langweilen wird.
Aber es kommt anders. Vollkommen anders.
    „Nächste Station Amalienburgstraße – Endstation,
bitte alle aussteigen.“ Wie gebannt lese ich, ich verschlinge Wort für Wort.
Die Art, wie Coelho schreibt, ist einfach wunderbar. Es ist von einer
Leichtigkeit, die einen absolut beflügelt. Es ärgert mich richtig, dass ich
aussteigen muss. Langsam stehe ich auf und gehe zur Tür. Lesend gehe ich zum
Bus, lesend verbringe ich die Fahrt, lesend steige ich aus. Und lesend gehe ich
nach Hause. In dieser Nacht werde ich mein erstes Buch zu Ende lesen. Und auch
wenn das für manch einen nach einer klitzekleinen Sache klingt, für mich ist
das eine enorme Sache. Es ist die größte Sache überhaupt. Es ist absolut
unbeschreiblich.
     
    Marie
    „Sie tut
was?“
    „Ja... sie
liest...“, antwortet Lili.

„Emma? Die Emma?“
    Sie nickt.
„Ich war eben bei ihr.“
    „Und sie
hatte keine Zeit, weil sie gelesen hat?“ Lili nickt. „Ist sie krank?“ Sie zuckt
mit den Schultern. „Hat Emma je ein Buch gelesen?“
    „Nein.“
    „Und in den
letzten Tagen dann gleich zwei?“
    „Sie ist
nur noch am Lesen...“
    „Und was
liest sie so?“
    „Ziemlich
anspruchsvolles Zeug.“
    „Tut sie
das wegen diesem Joakim?“
    „Ich weiß es
nicht.“ Lili schaut über das Geländer des Balkons. „Vielleicht hat sie die
Bücher seinetwegen gekauft, aber ich denke, lesen tut sie sie jetzt für sich.
Sie wirkt richtig glücklich.“
    „Und bei
dir und Elias? Wieder alles in Ordnung?“
    „Ja, schon,
aber ich verstehe immer noch nicht, warum er mit so einem Kerl befreundet ist.
Und ich finde auch, dass er sie mehr hätte in Schutz nehmen müssen.“
    „Das war
für ihn sicher auch nicht so einfach.“ Ich versuche, das Richtige zu sagen.
Wenn sie jetzt das Thema wechselt, habe ich es nicht geschafft.
    „Wann kommt
Paul?“ Und sie wechselt das Thema.
    „Er dürfte
jeden Moment kommen...“
    „Ich bin
schon so gespannt.“ Ich schenke uns noch mehr Eistee ein. Die Eiswürfel
erliegen ihrem Schicksal in der brütenden Mittagssonne. „Ist bei euch wieder
alles gut?“, fragt sie vorsichtig.
    „Besser als
das...“
    Sie strahlt
mich an. „Das freut mich für dich.“ Sie nimmt einen großen Schluck Eistee. Eine
Weile schweigen wir. „Marie?“
    „Hm?“
    „Weiß er
von uns? Also ich meine, weiß er alles ?“
    Ich muss
lachen. „Du meinst, ob er weiß, dass wir miteinander geschlafen haben?“
    „Du weißt
genau, was ich meine.“
    „Ja.“
    „Ja, du
weißt, was ich meine, oder ja, er weiß, dass wir miteinander geschlafen haben?“
    Sie schaut
in ihr Glas. „Beides.“
    „Und was
sagt er dazu?“
    „Zu uns?
Inzwischen findet er den Gedanken, glaube ich, ganz schön.“
    „Im Ernst?“
    Und wieder
muss ich lachen. „Ja, ich denke schon.“ Wenig später höre ich einen Schlüssel.
Und in dieser Sekunde schlägt mein Herz panisch gegen meine Rippen. Als er zu uns
auf den Balkon kommt, bin ich schrecklich nervös. „Paul, das ist Lili, Lili,
das ist Paul...“
    „Lili, ich
habe schon viel von dir gehört.“ Er lächelt und streckt ihr seine Hand
entgegen. Sie wird rot und nimmt sie.
    „Das kann
ich mir vorstellen...“
    Er lacht.
„Ich habe auch viel von dir gehört.“, sagt sie nach einer kleinen Pause.
„Ziemlich viel.“
    Er schaut
mich an. „Na ja, ich nehme an, das ist fair, sie hat mir schließlich auch alles
von euch beiden erzählt.“ Er lächelt. „Wenn du sagst ziemlich viel , dann
kennst du vermutlich die ganze Geschichte.“
    „Wenn du
damit dich nackt auf der Treppe meinst, dann ja...“
    „Und die
Vorgeschichte dazu vermutlich auch.“ Sie nickt. „Ich muss zugeben, dass mich
das ein kleines bisschen einschüchtert und dass ich mich fühle wie ein Idiot,
aber das wird sich sicher mit der Zeit legen.“
    „Ungefähr
so fühle ich mich in deiner Gegenwart auch“, sagt Lili und lächelt.
    „Das macht
es leichter“, sagt er lachend. „Es ist jedenfalls schön, dich endlich
kennenzulernen.“ Er klingt aufrichtig.
    „Setz dich
zu uns, mein Schatz. Magst du auch einen Eistee?“ Ich greife nach einem
unbenutzten Glas und halte es ihm hin.
    „Danke.“ Er
schenkt sich etwas Eistee ein, dann setzt er sich neben mich.

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