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Irgendwo dazwischen (komplett)

Irgendwo dazwischen (komplett)

Titel: Irgendwo dazwischen (komplett) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Freytag
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dann legt sie auf.
    Ich laufe auf und ab. Was hat sie so fertig gemacht? Wenn der Name
Ella etwas damit zu tun hat, kann ich es mir eigentlich fast denken. Es ist
schon paradox. Die ganze Geschichte hat mit Clemens begonnen, ist wegen Elias
ausgeartet, und nun, wo ich weiß, dass Elias doch mit Giselle geschlafen hat
und Clemens sich wohl an Ella rangemacht hat oder umgekehrt, ist alles wieder
aufgehoben. Wenn alles über einem zusammenbricht, weiß man eben doch, auf wen
man bauen kann. Und man merkt, dass alles relativ ist. Glück, Geborgenheit,
guter Sex, einfach alles. Denn guter Sex ersetzt keine Freundschaft. Und auch
wenn eine gute Freundschaft einem keine derartige Befriedigung geben kann, so
sollte man ihre Wichtigkeit dennoch nicht unterschätzen. Frauen sind in dieser
Beziehung schon besonders komisch. Männer können die innigste Freundschaft
zerreißen, und wenn die Männer es verbocken, ist die beste Freundin dann doch
das sichere Netz. Zwischen uns wird nie ein Kerl kommen... Pah... Blödsinn. Denn wenn man sich verliebt, verliert alles andere in diesem Moment
an Bedeutung. Wenn zwei Frauen sich in denselben Typen verlieben, wird nur in
den seltensten Fällen die Freundschaft siegen, denn Lust und Leidenschaft
wiegen schwerer. Die Hormone und die körperliche Anziehungskraft stellen jede
noch so enge Freundschaft meistens in den Schatten. Das sind Urinstinkte. Gehet
hin und paaret euch. Und genau das macht man mit Freunden nicht. Vor allem mit
gleichgeschlechtlichen. Unser Es hat auf einmal die Zügel in der Hand. Und wie
bei einem Rodeoritt sitzt es jodelnd und jubilierend in Sattel. Während diesem
Auf und Ab der Gefühle geht es um schwitzende Körper und um ein Wir gegen
den Rest der Welt Gefühl . Und genau dieses Gefühl hatte man zuvor mit der
besten Freundin. Vielleicht kann man es einfach nicht mit zwei Menschen zur
selben Zeit empfinden. Und da haben wir das Problem. Egal wie viel eine
Freundin zu geben hat, sie bringt dich nicht zum Orgasmus, und sie macht dich
nicht nervös. Ihretwegen fühlst du dich auch nicht schöner oder einzigartiger.
Außer sie heißt Marie und ist lesbisch. Doch Mal im Ernst. Emma hatte nur noch
Augen für Clemens. Und ich hatte nur noch Augen für Elias. Wenn man es aus der
Distanz betrachtet, so wird einem plötzlich Einiges klar. Sie hat nicht nur
mich verloren. Sie hat auch noch ihren Bruder an mich abtreten müssen. Und ich
habe ihr nicht vertraut. Sie hat es auf die wohl unpassendste Art und Weise
erfahren. Elias und ich nackt in seinem Bett. Sicher, sie hatte kein Recht,
sich dermaßen aufzuführen, aber ich kann sie verstehen. Auf einmal kann ich
genau verstehen, wie das für sie gewesen sein muss. Elias war für Emma immer
der Held. Er hat ihr immer wieder das Gefühl gegeben, mehr als nur schön zu
sein. All das fällt mir erst jetzt wieder ein.
    Ich schlendere zu einer Bank und denke nach. Warum habe ich ihr
nicht einfach gesagt, dass ich ihn liebe? Ich hatte sicher einen Grund. Aber
ich weiß ihn nicht mehr. Feigheit. Angst. Meine beiden Feinde. Die Straßen sind
wie leergefegt. Am Taxistand stehen ein paar Kerle und warten auf den nächsten
Anruf. Sie lachen, und der Rauch ihrer Zigaretten schlängelt sich kunstvoll im
schwachen Licht der Laternen dem Himmel entgegen. Ich greife in meine Tasche
und zünde mir selbst eine an und schaue den filigranen Schwaden nach, bis ich
ein herannahendes Auto höre, was mich herunter schauen lässt. Das Taxi hält an.
Wenige Momente später geht die Beifahrertür auf und ich sehe Emma. Ihr blondes
Haar ist zerzaust. Sie ist in einen dicken braunen Strickmantel eingehüllt, der
niemals ihr gehört. Sie schaut sich um. Ich stehe auf. Sicheren Schrittes kommt
sie auf mich zu. Und in diesem Moment frage ich mich, ob sie auch für mich da
gewesen wäre. Aber bevor ich etwas sagen kann, fällt sie mir in die Arme. Ihr
graziler Körper zittert und bebt. Schluchzend hängt sie an mir, so als hätte
sie es gerade noch geschafft. „Emma...“, sage ich, weil ich eine Antwort auf
diese Frage brauche. Ich drücke sie von mir, was mir nur halbwegs gelingen
will. „Wenn ich dich jetzt angerufen hätte, wärst du dann auch für mich da
gewesen?“
    Sie schaut hoch. „Ehrlich?“, fragt sie.
    „Ja, ehrlich...“, antworte ich distanziert.
    „Ich weiß es nicht. Ich glaube schon. Aber du hättest dir diese
Blöße sowieso nie gegeben. Du hättest einfach Marie angerufen.“
    Damit hat sie nicht einmal ganz unrecht. Denn bis vor

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