Irgendwo dazwischen (komplett)
das Klo auch mal
brauchen. „Ich steh so drauf, wenn du mich von hinten nimmst.“ Erst muss ich
lachen, dann wird mir klar, dass ich diese Stimme kenne, wenn auch nicht in
diesem Tonfall. Es ist Ella. Und plötzlich wundert es mich nicht mehr, dass ich
Clemens nicht finden kann. Plötzlich gibt alles Sinn. Und jetzt verstehe ich
auch, warum er in letzter Zeit nicht einmal mehr Lust hatte, mit mir zu
schlafen.
Weil ich davon ausgehe, dass abgeschlossen ist, drücke ich die
Klinke nach unten. Doch zu meiner großen Überraschung springt sie auf. Da steht
Clemens, seine Hose zwischen den Fußgelenken. Seine Hände an Ellas Arsch. Ihr
Hauch eines Tangas hängt zwischen ihren Schenkeln. Eine Weile stehe ich da und
starre sie an. Ich kann es nicht glauben. Und obwohl ich ihn nicht liebe,
füllen sich meine Augen mit Tränen. Bitteren Tränen, weil ich niemanden habe.
„Emma, warte.“ Doch ich warte nicht. Und Clemens rennt mir auch nicht
theatralisch hinterher, um es mir zu erklären und zu schwören, dass es nur das
eine Mal war. Auf den Treppen drehe ich mich noch einmal um und sehe, wie
jemand die Tür wieder schließt. Und dann höre ich wieder Ella und das Rumsen.
Kopflos verlasse ich das Haus. Ich kann nicht mehr denken, ich
weiß nicht, was ich tun soll. An der nächsten größeren Straße bleibe ich stehen
und hoffe auf ein Wunder. Und es zeigt sich in Gestalt eines Taxis. Panisch
reiße ich beide Arme in die Höhe und winke. Wenig später sitze ich im Auto. Und
weil ich nicht weiß, was ich machen soll, rufe ich Lili an. Ich brauche Lili.
Wenn sie auflegt, kann ich nichts machen, aber ich muss es versuchen.
Lili
Ich schaue mich um. Es ist schön, so allein zu sein. Keine
mitleidigen Blicke von Menschen, die es doch nicht verstehen, wie es sich
anfühlt, angelogen und für blöd verkauft zu werden. Keine Worte des Trosts, die
einen doch nicht trösten. Nur der Busfahrer und ich. Und viele emsige kleine
Tropfen, die an den Scheiben um die Wette laufen. Vielleicht hätte ich Elias
fragen sollen, warum er so gehandelt hat. Unsere Beziehung gleicht einer
kleinen Knospe, die nicht einmal die Chance hatte zu blühen. Alle Vernunft
treibt uns weiter von dem weg, was sich richtig anfühlt. Denn wann sind sich
unser Herz und unser Gehirn schon einmal einig? Wann ist denn schon einmal
alles im Einklang? Nur die wenigsten Dinge im Leben sind so eindeutig. Alles
hat mindestens zwei Seiten. Aber ich habe nur meine gesehen, weil es weh tut.
Und es könnte noch mehr wehtun, seine Seite zu kennen. Man versteckt sich, weil
man verwundbar ist.
Mein Vater hat mir ziemlich oft den Eindruck vermittelt, nicht
seinen Erwartungen zu entsprechen. Ich hatte das Gefühl, ihm nicht gerecht
werden zu können, egal wie sehr ich mich auch bemüht habe. Viele Kinder denken
so. Es ist, als wäre die Liebe der Eltern an Bedingungen oder Leistungen
geknüpft. Und wahrscheinlich haben es sich unsere Eltern sogar vorgenommen,
solche Fehler niemals zu begehen, wenn sie erst einmal selbst Kinder haben.
Aber sie tun es. Und es ist schwierig, als Kind zu wissen, dass die Eltern
einen lieben, selbst dann, wenn sie es nicht zeigen oder wenn es so wirken mag,
dass ihre Liebe an Leistungen gekoppelt ist. Mir ist erst ziemlich spät
aufgegangen, dass mein Vater mich wirklich liebt. Das ändert nichts an dem
Gefühl, ihm in manchen Dingen nicht zu genügen. Und genau das tut weh und macht
uns klein. Es macht uns aber auch menschlich, denn wir sind empfindsam. Wenn
auch nicht jeder. Vielleicht habe ich einfach Angst, dass ich Elias auch nicht
genüge. Vielleicht ist da tief in mir dieses kleine Monster, das mir
zuflüstert, dass diejenigen, die mir wenig zutrauen, eigentlich Recht damit
haben.
Vielleicht ist aber das Schlimmste, dass ich mir selbst nicht
genüge. Vielleicht hat es nichts mit anderen Menschen zu tun. Vielleicht ist da
einfach eine Stimme in meinem Kopf, die ab und an von innen gegen meine
Schläfen hämmert und mir sagt, dass ich eben leider nichts Besonderes bin. Und
vielleicht ist es am Einfachsten, diese Unsicherheit meinem Vater in die Schuhe
zu schieben. Wenn man nicht weiß, wer versagt hat, dann waren es im
Zweifelsfall sowieso immer die Eltern.
Marie
Ich liege auf meinem Bett und drohe mich in Tränen aufzulösen.
Nicht nur, dass sie an sein Telefon geht, nein, als sie gesagt hat, dass ich
dran war, hätte er mich anrufen müssen. Ich meine, wir haben eben noch hier in
diesem Bett miteinander geschlafen. Das benutzte
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