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Irgendwo dazwischen (komplett)

Irgendwo dazwischen (komplett)

Titel: Irgendwo dazwischen (komplett) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Freytag
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mir keine Erklärung“, falle ich ihm ins Wort.
    „Ich wollte nur hören, ob es was Wichtiges war...“
    „Also wenn es wirklich um Leben und Tod gegangen wäre, wärst du
ein bisschen spät dran, meinst du nicht?“
    „Was ist los? Ist was passiert?“ Er klingt besorgt.
    „Hat sich erledigt...“ Ich schaue mich nach einem Taschentuch um,
weil meine Nase immer noch verstopft ist. „Ich verstehe schon, dass du nicht
früher anrufen konntest. Freunde verstehen das. Da ist dir eben der Sex
mit Helene dazwischen gekommen.“
    „Bestrafst du mich dafür, dass wir miteinander geschlafen haben?
Ich dachte, du wolltest es auch.“
    „Das tut jetzt nichts zur Sache.“
    „Was hab ich gemacht?“
    „Gar nichts.“
    „Ja, und was soll das dann?“
    „Vielleicht ist ja genau das das Problem.“
    „Was? Dass ich nichts gemacht habe?“
    Und dann lege ich auf, weil ich schon wieder diesen Kloß spüre.
Den bösen Heulkrampf-Kloß. Und das wegen Paul. Männer. Ich hätte nicht gedacht,
dass ich das jemals denken würde.
     
    Lili
    „Ich habe mich von dir verraten gefühlt, Emma... Ich konnte dir
nicht einfach verzeihen, weil die Tatsache, dass Clemens dich wollte und nicht
mich, mir wieder einmal gezeigt hat, dass ich immer nur die zum Reden bin...
Ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr ich es hasse, auf jemanden so
eifersüchtig zu sein, der mir so wichtig ist... ich hasse es, mich so klein zu
fühlen... und ich bin enttäuscht. Ich bin so enttäuscht von Elias. Ich liebe
Elias. Egal, wie sehr dich das stört. Und wenn es einen Weg gibt, dass alles
wieder in Ordnung kommt, werde ich ihn gehen. Und das tue ich nicht, um dir
wehzutun, sondern weil er mich glücklich macht... Zumindest, wenn er mich nicht
gerade unglücklich macht.“ Zwischen dem Schluchzen muss ich lachen. Über mich.
Über die Situation. Über alles. Emmas Wangen glänzen, und viele kleine Tränen
laufen über ihr Gesicht und über das Gesicht meiner Mutter laufen Tränen. Und
über mein Gesicht laufen Tränen. Wir reden und reden. Und mit jedem Satz, der
gesagt wird, scheint es, als würden sich riesige Knoten lösen. Knoten, die man
so lange mit sich herumgetragen hat, dass sie einem normal vorgekommen sind.
Und plötzlich bemerke ich, dass er mir jahrelang die Luft abgeschnürt hat. Ich
schaue auf den Boden und sehe mich dort liegen, Elias auf mir. „Ich habe mich
nicht an das gehalten, was du zu mir gesagt hast, Mama“, sage ich, ohne groß
darüber nachzudenken. „Als ihr...“
    „...ich weiß“, fällt sie mir ins Wort, und ihre Stimme klingt
angeschlagen, weil sie so lange nichts gesagt hat.
    „Was weißt du?“, frage ich sie und spüre, wie ich rot werde.
    „Ich habe hinter dem Fernseher und unter der Wolldecke
Kondomhüllen gefunden“, antwortet sie. Und in ihrer Stimme ist keine Wut zu
hören. „Ich habe nicht nach Beweisstücken gesucht, falls du das denkst“, fährt
sie fort. „Mir ist die Fernbedienung runter gefallen und als ich mich gebückt
habe, um sie aufzuheben, habe ich Hülle Nummer eins gefunden. Im ersten Moment
war ich stinksauer“, sie macht eine Pause, „dann habe ich mir alles zurecht
gemacht für einen gemütlichen Abend, weil dein Vater noch einen Tag länger bei
seinem Bruder geblieben ist, und als ich die Decke aufgehoben habe, ist mir
Hülle Nummer zwei entgegen gekommen.“
    „Und du warst noch wütender“, denke ich laut.
    „Komischerweise nicht.“
    „Nein?“, frage ich entgeistert.
    „Nein“, sagt sie noch einmal.
    „Warum nicht?“
    „Weil mir in diesem Moment etwas klar wurde.“
    „Und was?“, frage ich unsicher.
    „Ich habe in deinem Alter nichts anderes getan. Mit meinem ersten
Freund habe ich in jedem Zimmer im Haus meiner Eltern geschlafen, sobald sie
zur Tür raus waren...“ Ich bin fassungslos. Sicher war mir klar, dass meine
Mutter ein Sexualleben hatte und noch hat, aber so klar dann doch nicht.
„Schaut nicht so schockiert“, lacht meine Mutter. Ich blicke rüber zu Emma, die
mich noch immer im Arm hält. Ihr Gesicht könnte das Spiegelbild von meinem
sein. „Ich habe ihn wirklich geliebt. Und er war für mich der erste in so
ungefähr allem, was man sich vorstellen kann. Er war es, mit dem ich zum ersten
Mal richtig betrunken war. Mit ihm habe ich meinen ersten Joint geraucht und
mit ihm habe ich zum ersten Mal geschlafen... Er war meine erste große Liebe...
Das alles ist mir eingefallen, als ich diese zweite Hülle gefunden habe. Und
ich war glücklich, dass ihr

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