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Irgendwo ganz anders

Irgendwo ganz anders

Titel: Irgendwo ganz anders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasper Fforde
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je geführt hatte. Vielleicht hätte ich ihn sogar sympathisch finden können, wären da nicht diese völlige Skrupellosigkeit und absolute Entschlossenheit gewesen, die sein Sprechen durchdrangen. Bei einer Person von geringer oder gar keiner Macht hätte man das entschuldigen können, aber bei jemand wie John Henry Goliath war es einfach verheerend.
    Auf dem Weg passierten wir drei verschiedene Kontrollpunkte, an denen John Henry einfach durchgewinkt wurde. Nach dem dritten Checkpoint erreichten wir eine große stählerne Sicherheitstür und stiegen vom Golfwagen, um zu Fuß weiterzugehen. Zur Bestätigung seiner Identität wurde John Henrys Krawattenknoten gescannt, und die Tür glitt zur Seite und ließ uns ein. Bei dem Anblick, der sich mir bot, hielt ich die Luft an. Goliaths Technologie hatte die kleine Metallsonde, die ich gesehen hatte, längst hinter sich gelassen. Sie waren weitergekommen – viel weiter.

20.
    Der Austen Rover
    Goliaths Bemühungen, in die Welt der Fiktion einzudringen, waren mir seit vielen Jahren bekannt. Als sich die Entwicklung des Plasmagewehrs im Jahre 1985 zum Debakel auswuchs, hatten sie versucht, die fiktionale Welt dazu zu benutzen, eine mangelhafte Technologie zu »aktualisieren«, waren jedoch kläglich gescheitert. Daraufhin wurde ein langwieriges Forschungs- und Entwicklungsprojekt in Angriff genommen, das Mycrofts ProsaPortal kopieren sollte. Aber bis zum Auftauchen der Sonde hätte ich ihnen höchstens das Synthetisieren einer besonders langweiligen Form von getretenem Quark aus Band 1 bis 8 der Geschichte des Käses zugetraut.
    Mitten im Raum stand in seiner ganzen Pracht ein Reisebus mit flacher Front und einem einzigen Deck, lackiert in dem Blau und Gelb eines längst vergessenen Busunternehmens. Meiner Ansicht nach datierte er aus den Fünfzigern. Meine Mutter hätte in ihrer fernen und inzwischen reichlich ausgeschmückten Jugend mit Picknickkörben und literweise Sonnencreme ein solches Gefährt besteigen können, um einen Ausflug ans Meer zu machen. Von dem anachronistischen Eindruck einmal abgesehen, war das hervorstechendste Merkmal des Busses, dass die Räder entfernt und die so entstandenen Öffnungen bedeckt worden waren, um eine einigermaßen stromlinienförmige Wirkung zu erzielen. Aber das war offensichtlich nicht die einzige Veränderung. Bei dem Fahrzeug, vor dem ich stand, handelte es sich vermutlich um die fortschrittlichste Transporttechnologie, die dem Menschen bekannt war.
    »Wozu das Modell eines alten Reisebusses?«, fragte ich.
    John Henry zuckte die Achseln. »Wenn man reist, sollte man das stilvoll tun. Und ein Rolls-Royce Phantom II hat einfach nicht genügend Sitze.«
    Wir gingen weiter in die Werkstatt hinein und ich sah mir den Bus genauer an. Zu beiden Seiten und auf dem Dach befanden sich zierliche Ausleger, an denen komplizierte Motoren hingen, mit denen ich nicht vertraut war. Die passgenauen Motorhauben waren entfernt worden und Techniker in weißen Kitteln arbeiteten an den Motoren. Als wir hereingekommen waren, hatten sie ihre Tätigkeit unterbrochen, jetzt aber nahmen sie ihre Tüftelei unter eifrigem Geflüster wieder auf. Ich trat an die Vorderseite des Busses und ließ meine Finger über den Leyland-Schriftzug oberhalb des großen und sehr auffälligen Kühlergrills gleiten. Mein Blick wanderte weiter nach oben. Über der längs geteilten Windschutzscheibe befand sich die verglaste Anzeige, die den Reisenden in der Vergangenheit das Fahrziel des Busses genannt hatte. Ich erwartete, dort »Bournemouth« oder »Portsmouth« zu lesen, aber so war es nicht. Da stand: Abtei von Northanger.
    Ich sah John Henry Goliath an.
    Er sagte: »Dies hier, Ms Next, ist der Austen Rover – das fortschrittlichste transfiktionale Verkehrsmittel der Welt!«
    »Funktioniert es?«, fragte ich.
    »Wir sind uns nicht ganz sicher«, erwiderte John Henry. »Es handelt sich um den Prototyp, der noch getestet werden muss.«
    Er winkte die leitende Ingenieurin heran und machte uns miteinander bekannt.
    »Das ist Dr. Anne Wirthlass, die Projektleiterin des Austen Rover. Sie wird alle Ihre Fragen beantworten, und ich hoffe doch, dass Sie im Gegenzug ein paar Fragen beantworten, die wir uns stellen.«
    Ich gab ein unverbindliches Geräusch von mir und Wirthlass schüttelte mir die Hand. Sie war groß, gertenschlank und schwankte etwas beim Gehen. Wie alle anderen in dem Labor trug sie einen weißen Kittel und einen Anstecker mit ihrer Goliath-Identifikation.

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