Irische Hochzeit
gefährlicher, als sie erwartet hatte.
Zum ersten Mal in ihrem Leben konnte sie ihre Zukunft nicht planen. Der Gedanke, Gefangene auf Ennisleigh zu bleiben, machte sie wütend. Sie musste wissen, was hier vorging, und sie hasste es, untätig zu sein.
Das Herz wurde ihr schwer. Sie schloss die Augen und versuchte, nicht zu verzweifeln. Das war der erste Schritt, den sie tun musste, um von dieser Insel herunterzukommen.
Ruarc Mac Egan brannte auf einen Kampf. Er wollte seinen Dolch aus der Scheide ziehen und ihn im Blut der Normannen baden. Bei Belenus, was dachte sich sein Cousin Patrick nur dabei, ihnen die Tore zu öffnen? Erkannte der König denn nicht, dass der Feind vorhatte, sie zu schwächen und ihnen den rath zu nehmen? Der einfältigste Tölpel konnte das erkennen.
Er beobachtete die Normannen und wartete darauf, dass einer von ihnen eine Bewegung machte. Sie hatten ihr Mahl beendet, und ihre Gesichter waren vom vielen Met gerötet. Gut. Sollte das starke Gebräu ihnen die Sinne benebeln.
Auf der Suche nach einem geeigneten Gegner ging er an den Bänken entlang. Als er den letzten Normannen erreichte, versetzte er ihm einen so heftigen Stoß, dass der Mann zu Boden fiel.
Wie Ruarc gehofft hatte, sprang der Krieger auf die Füße und zog sein Messer. Ruarc duckte sich unter der Klinge weg, während er hörte, wie um ihn herum seine Clansleute in begeistertes Geschrei ausbrachen. Er ließ den Normannen näher kommen und wartete auf den richtigen Zeitpunkt. Der Dolchgriff aus Elfenbein erwärmte sich langsam in seiner Hand, während eine wilde Vorfreude sein Blut schneller fließen ließ.
Eine Faust kam auf ihn zu, und er beugte sich zurück, um ihr auszuweichen. Ruarc trat nach dem Bein des anderen in der Hoffnung, ihn zu Fall zu bringen.
Stattdessen wehrte der Normanne den Tritt ab. Als Ruarc dadurch ins Stolpern kam, verspürte er einen heftigen Schmerz im Arm. Er wartete darauf, dass sein Feind den Kampf eröffnete, um ihm dann die Klinge in die Brust zu stoßen. Er umkreiste den Gegner … und wartete …
„Was, im Namen Lugs, treibst du da?“, brüllte Trahern. Ruarc versuchte, sich ihm zu widersetzen, doch sein riesenhafter Cousin schubste ihn einfach fort und landete seine Faust auf Ruarcs Kinn.
„Kämpfen“, erwiderte Ruarc trocken.
„Jetzt nicht mehr.“
Der Normanne beobachtete ihre Auseinandersetzung und wischte sich dabei mit einem großspurigen Grinsen Blut von der Lippe.
Bastard. Wenn Trahern sich nicht eingemischt hätte, hätte er, Ruarc, den Kampf gewonnen. Doch er zügelte seine Wut und starrte seinen Feind nur böse an. Er würde schon noch Gelegenheit zur Rache bekommen, und wenn es nach ihm ging, recht bald.
Er strich sich über die brennende Wunde am Arm und ging rasch aus dem Saal. Aus den Hütten war gedämpfte Unterhaltung und der schwache Schrei eines Kindes zu hören.
Als er die Tür zu seiner eigenen Behausung öffnete, war von drinnen kein Willkommensgruß zu hören, nur ein angstvolles Keuchen. Er hob die Öllampe und sah das Gesicht seiner Schwester Sosanna. Blass und verängstigt atmete sie hörbar erleichtert auf, sobald sie erkannte, dass nur er es war. Ungekämmt und verfilzt fiel ihr das blonde Haar auf die Schultern. Und Ruarc bemerkte, dass sie auch ihr Kleid nicht gewechselt hatte.
Der Magen krampfte sich ihm zusammen. Früher war sie nicht so gewesen.
Sosanna drehte sich mit einem zaghaften kleinen Lächeln auf den Lippen um und fiel wieder in den Schlaf. Sie sagte nichts, so wie sie all die vergangenen Monate nichts gesagt hatte. Keiner wusste, was während des Angriffs mit ihr geschehen war, doch Ruarc gab den Normannen dafür die Schuld. Ihr Vater und ihre jüngere Schwester Ethna waren in der Schlacht umgekommen. Ethna hatte versucht, vom Kampfplatz zu fliehen, nur um von den Pferden zu Tode getrampelt zu werden.
Ruarc hatte ihren zerschlagenen Körper gefunden und laut um sie geweint. Seine stille Verbitterung über Sosannas Schicksal hielt jedoch an, fraß an ihm wie ein Geschwür. Eines Tages würde er erfahren, was man ihr angetan hatte. Und wenn die Götter Erbarmen mit ihr hatten, würden sie ihre unsichtbaren Wunden heilen.
Sein ganzer Stamm hatte schwere Verluste erlitten. Doch statt Angriff mit Angriff zu beantworten, statt sich zu rächen, hatte Patrick sich eine normannische Braut genommen. Ein Verräter, das war er. Einer, der verdiente, dass er die Macht verlor.
Ruarc brachte es nicht über sich, den Mac Egan seinen König zu
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