Irische Küsse
weißt, aber es besteht kein Grund, dich unnötig in Gefahr zu bringen.“ Er nahm ihr Kinn zwischen Daumen und Zeigefinger.
„Hör auf, mir gute Ratschläge zu geben.“ Sie spürte, wie ihr die Hitze ins Gesicht stieg, er stand entschieden zu dicht vor ihr. Der sanfte Druck seiner Finger an ihrem Kinn ließ sie erbeben. „Und fass mich nicht an.“
Er ließ von ihr ab, hob beide Hände und trat einen Schritt zurück. „Wie du wünschst. Aber lass Frieden zwischen uns sein, Honora.“
„Wieso eigentlich?“
„Ich beabsichtige, deine Schwester zu heiraten – und möchte, dass wir Freunde bleiben.“
Freunde. Hatte es je so etwas wie Freundschaft zwischen ihnen gegeben? Als junges Mädchen hatte sie häufig seine Nähe gesucht. Und wenn sie ehrlich war, hatte sie eine heimliche Schwäche für ihn gehabt und hätte sich gewünscht, er würde sich in sie verlieben.
Aber dieser Wunsch war vergebens gewesen. Er hatte sie zwar freundlich behandelt, war ihr aber meist aus dem Weg gegangen. Im Rückblick verstand sie auch den Grund. Welcher Mann würde sich in eine Frau verlieben, die beabsichtigte, ihn mit ihrem Schwert aufzuspießen?
„Freunde“, wiederholte sie gedehnt. „Das dürfte möglich sein.“ Sie hielt ihm versöhnlich die Hand hin, als würde es nichts bedeuten. Als sie aber den Druck seiner Finger spürte, durchströmte sie wieder diese verräterische Hitze. „Als deine Freundin muss ich dich allerdings davor warnen, nicht noch einmal so etwas Törichtes zu tun wie heute Abend in der Halle.“
Seine Mundwinkel zogen sich hoch. „Warum sagst du das?“
Sie musterte ihn mit seitlich geneigtem Kopf. „Hältst du es etwa für klug, dich mit einem Mann zu prügeln, nachdem du schon eine Weile geblutet hast, Ewan?“
„Ich habe ihn besiegt, oder etwa nicht?“
Sie seufzte resigniert. „Und hinterher musste ich deine Wunde nähen.“
Er lächelte unverfroren und ließ ihre Hand los. „Es ist nur ein harmloser Kratzer, Honora.“ Dann wurde er wieder ernst und wechselte das Thema. „Hast du noch etwas über deinen Dieb herausgefunden?“
„Nein. Nichts.“
„Die Männer sprechen hauptsächlich von Katherine und ihren Ländereien. Keiner hat etwas von einer Schatulle erwähnt. Aber wenigstens hast du sie wiedergefunden.“
„Es geht nicht nur um die Schatulle“, erklärte sie. „Ein Kruzifix und ein Abendmahlbecher wurden ebenfalls gestohlen.“
„Hast du die Sachen auch entdecken können?“
Sie schüttelte den Kopf. „Noch nicht. Aber das ist nicht weiter schlimm. Es handelte sich dabei um keine wertvollen Dinge. Sie waren aus Holz, nicht aus Silber. Ich begreife nur nicht, wieso jemand diese Gegenstände haben will.“
„Keine Ahnung. Aber ich bemühe mich weiter, etwas darüber in Erfahrung zu bringen.“ Ewan hob seinen bandagierten Arm. „Ich stehe in deiner Schuld.“
„Nicht der Rede wert.“ Honora wünschte ihm eine gute Nacht und zwang sich, gemessenen Schrittes zur Tür zu gehen. Am liebsten wäre sie aber in ihre Kammer geflohen und unter die Bettdecke gekrochen, um ihren inneren Aufruhr zu beruhigen.
Freunde, hatte er gesagt. Honora wusste nicht, ob eine Freundschaft zwischen ihnen je wieder möglich wäre.
Ewan wartete vor den Stallungen in der Morgensonne, die sich gelegentlich hinter rasch dahintreibenden Wolkenfetzen blicken ließ. Sein Bruder Bevan war im Morgengrauen mit seinem Schwiegervater, dem Earl of Longford, zu dessen Burg aufgebrochen. Der Earl würde Bevan zweifellos drängen, bald nach Irland zurückzukehren, um zur Niederkunft an Genevieves Seite zu sein. Ewan hoffte, Katherine zu einer baldigen Hochzeit überreden zu können, um seinem Bruder diesen Wunsch zu erfüllen.
Vorerst bot sich ihm die Gelegenheit, etwas Zeit mit dieser Schönheit zu verbringen. Eine Gunst, die seines Wissens keinem anderen Bewerber zuteil wurde und was er als gutes Omen wertete.
Katherine hatte sich redlich bemüht, seine Verletzungen zu versorgen, es aber nicht über sich gebracht, die klaffende Schnittwunde zu nähen. Honora hingegen erschauerte nicht beim Anblick von Blut oder Verletzungen, blieb gelassen und kümmerte sich um Wunden mit großer Umsicht und Kenntnis. Sollte sie das Glück haben, Kinder zu gebären, würde sie ihre Söhne mit gleicher Fürsorge pflegen.
Der Gedanke beunruhigte ihn. Honora wollte nicht wieder heiraten. Er hatte zwar den Verdacht, dass ihre Ablehnung einerseits von ihrem Widerwillen herrührte, sich einem Mann unterzuordnen,
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