Iron Man - Von Black Sabbath bis Heaven & Hell
doch das ganze Projekt verwandelte sich in einen üblen Alptraum. Lee De Carlo war für die Tontechnik und den Mix verantwortlich. Seine Schwester Yvonne De Carlo spielte die Lily Munster in der Kult-Serie The Munsters . Wir machten uns an den Endmix, und dann begann der Stress. Wenn Geezer, Ronnie und ich es uns morgens im Studio bequem machten, klang die Abmischung im Vergleich zum Vorabend ganz anders. Lee verlor nie ein Sterbenswörtchen darüber. Wir verschoben die Fader wieder nach unseren Klangvorstellungen, doch einen Tag später hatte sich erneut alles verändert. Schließlich konnte Lee das Geheimnis nicht mehr verbergen. Es trieb ihn in den Wahnsinn, und er schüttete sich einen Scotch nach dem anderen rein. Er musste es uns beichten: „Wenn ihr nach Hause geht, kommt Ronnie wieder ins Studio und verändert den kompletten Mix.“
„Komm, verarsch uns nicht!“
„Es stimmt. Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Für mich ist das eine ganz üble Situation.“
„Und warum hast du uns das nicht schon früher verraten?“
„Ich wusste nicht, wie ich mich verhalten soll.“
Ronnie stritt das ab, und so stand Aussage gegen Aussage. Bis zum heutigen Tag weiß ich nicht, wem ich glauben soll. Ronnie gab mir zwar sein Wort, doch damals glaubten wir Lee. Geezer und ich gingen vor Wut an die Decke. Es gab einen Mordskrach. Wir verwehrten ihm den Zutritt zum Studio, und das bedeutete das Ende. Ronnie schrie uns an: „Ich bin raus.“
Er ging, und Vinny folgte ihm. Die Besetzung zerbrach an nur einem Tag.
So sahen Geezer und ich uns gezwungen, den Mix allein zu beenden. Live Evil wurde Ende 1982, Anfang 1983 veröffentlicht. Das Album verkaufte sich gut, bedenkt man die komplizierten Umstände der Endproduktion und die Tatsache, dass sich die Band aufgelöst hatte.
Interessanterweise veröffentlichte Ozzy zur gleichen Zeit auch eine Live-Scheibe, Speak Of The Devil , auf der kein einziger Solo-Song zu finden war, sondern nur alte Sabbath-Nummern. Ich empfand diese Kopie unseres Sets als unangenehme Überraschung. Bis zum heutigen Tag bringt Ozzy „Iron Man“ und „Paranoid“, obwohl er auf ein großartiges Repertoire eigener Stücke zurückgreifen kann. Ich schätze mal, das Live-Album war Sharons Idee, um damit das Black-Sabbath-Publikum anzuziehen und das Verhältnis zwischen uns zu vergiften.
Nach dem Split rief ich David Coverdale an. Auch Cozy Powell stand auf meiner Wunschliste. Waren sie vielleicht daran interessiert, bei uns zu spielen? Coverdale meinte offen heraus: „Ach, scheiß drauf. Ich habe gerade einen Deal für ein neues Whitesnake-Album bei Geffen unterschrieben.“
Da Cozy zu der Zeit bei Whitesnake spielte, erübrigte sich ein zweiter Anruf.
Geezer und ich mussten uns grundsätzlich Gedanken machen. Wir erhielten unzählige Tapes von Sängern, die aber meist unerträglich klangen. Eins davon stammte von Michael Bolton . Damals kannte ich ihn nicht. Er kam zur Probe und sang „Heaven And Hell“, „War Pigs“ und „Neon Knights“. Bolton war ziemlich gut, doch er passte nicht genau in unser „Beuteschema“. Im Nachhinein wurde mir klar, dass wir ein großes Talent abgelehnt hatten. Michael Bolton abzulehnen, der in den Achtzigern 50 Millionen Platten verkaufte, war wohl ein kleiner Fehler.
Die Suche nach einem Sänger gestaltete sich vor allem deshalb so schwierig, weil der sowohl die Ozzy-Songs, als auch das Ronnie-Material präsentieren musste. Allerdings wartete an der nächsten Straßenecke bereits eine Überraschung auf uns, und schon bald brach die Zeit der Wiedergeburt an.
56: Wiedergeburt
Nach dem Ausstieg von Ronnie und Vinny nahmen wir uns einen neuen Manager. Es war kein anderer als – Don Arden. Ursprünglich wollte er uns nicht ohne Ozzy vertreten, doch inzwischen hatte er seine Meinung geändert. Vielleicht lag das an dem Zerwürfnis mit seiner Tochter Sharon, die sich mit Ozzy aus dem Staub gemacht hatte. Nach dem Chaos mit Sandy Pearlman empfingen wir Don mit offenen Armen.
Er schlug uns ein Treffen mit Ian Gillan von Deep Purple vor. „Probiert doch mal aus, wie es mit ihm so läuft.“
Ich war Ian bislang noch nie begegnet. Wir arrangierten ein Treffen um die Mittagszeit in einem Pub in Woodstock, Oxfordshire namens The Bear. Wir tranken ein Bier, dann noch eins, gefolgt von dem nächsten und so weiter. Der Pub öffnete, schloss, öffnete wieder und schloss dann – und wir hingen immer noch am Tresen. Am Ende eines langen und harmonischen
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