Iron Witch
die Werkstatt des Erzmeisters befanden sich im obersten Stockwerk des Hauses in einem Dachspeicher, der speziell zu diesem Zweck umgebaut worden war, damit der Lärm und der Geruch wenigstens ein Stück vom Rest des Hauses entfernt blieben. Aber niemand wusste, wo genau Simon an seinen alchemistischen Experimenten arbeitete, oder ob er überhaupt ein eigenes Labor hatte. Das war nicht weiter verwunderlich, da er als offizieller Sekretär des Ordens nicht mehr als ein besserer Verwalter war. Donna vermutete schon lange, dass Quentin diesen Job extra für Simon aufgrund ihrer persönlichen Beziehung erschaffen hatte.
Als sie im Tunnel um eine scharfe Kurve liefen, standen sie plötzlich vor der massivsten Eichentür, die Donna jemals gesehen hatte. Einen Moment lang geriet sie in Panik; war der ganze Aufwand vielleicht umsonst gewesen? Hatte sie genügend Kraft, die Tür aufzubrechen, falls sie verschlossen war? Die Tür machte einen verdammt stabilen Eindruck, und außerdem bestand die Möglichkeit, dass sie mit Magie versiegelt war. Zumindest schien der widerliche Geruch nachzulassen – entweder das oder sie fing an sich daran zu gewöhnen.
Donna erforschte die Tür und atmete erleichtert auf. Es sah nicht so aus, als ob sie ein Schloss hätte. Alles was ihr auffiel – außer einem schwarzen Eisengriff – war eine auf Augenhöhe angebrachte Tafel mit der seltsamen Inschrift:
UNSERE ARBEIT BEGINNT
IN DER DUNKELHEIT UND MIT DEM TOD
»Sehr aufheiternd«, bemerkte Xan.
»Klar, Alchemisten sind richtige Komiker, es macht unglaublich Spaß mit denen rumzuhängen«, seufzte Donna.
»Eigentlich«, erwiderte er, »würde ich sagen, dass ich mit dir einige der schönsten Momente meines Lebens verbracht habe.« Es klang völlig aufrichtig, aber Donna konnte sich den skeptischen Blick, den sie ihm zuwarf, nicht verkneifen. Dachte er das wirklich? Verlegen sagte sie das Erstbeste, was ihr in den Sinn kam. »Klar, weil ich so was Besonderes bin.«
Missbilligend schaut er sie an. »Tu das nicht.«
»Tu was nicht?«
»Dich selbst runtermachen. Das solltest du nicht tun, Donna.«
Sie zuckte verschämt mit den Schultern. Sie fühlte sich immer unwohl, wenn sie im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stand. »Na ja, ich kann mir eben nicht wirklich vorstellen, wie es Spaß machen kann, mit mir abzuhängen. Okay, wenn du unter ›Spaß‹ verstehst, von Elfen angegriffen zu werden und den schlimmsten Ausgeburten deiner Albträume gegenüberzustehen, dann könntest du recht haben.«
Seine Augen blitzten in der Dunkelheit. »Du hast aber den Teil weggelassen, in dem der Junge das schöne Mädchen küssen darf.«
Donna war froh über das schummrige Licht am Ende des Korridors; er sollte nicht sehen, wie knallrot sie gerade wurde. Sie ignorierte ihn und probierte den Türgriff aus. Zu ihrer Erleichterung ließ er sich ohne Widerstand drehen.
Als sie den Raum betraten, überlegte Donna, dass sie gerade zum ersten Mal ein echtes alchemistisches Labor vor sich hatte. Die Einrichtung des Raums war der Stoff, aus dem Legenden gemacht werden – und stimmte nahezu perfekt mit den Schilderungen in den Büchern überein, die sie unter Almas wachsamen Augen studiert hatte. Und doch war es viel mehr als das. Dieses Labor war echt ; hier drin war es lebendig, es wurde gearbeitet, und man hatte den Eindruck, dass etwas Magisches irgendwo in diesem Raum vor sich hinbraute. Im Vergleich hierzu verblasste Quentin Frosts jämmerliche Laboreinrichtung zum Chemiebaukasten eines Kindes. Was aber irgendwie sehr seltsam war, dachte Donna, da Quentin doch eigentlich der Anführer des Ordens war – der Erzmeister.
Die Beweise vor ihren Augen legten die Schlussfolgerung nahe, dass Simon Gaunt viel mehr als nur ein Verwalter war. Vielleicht war er ein echter Magier, was unter den modernen alchemistischen Orden einmalig wäre. Zumindest hatte sich ihr jahrelanges Misstrauen gegenüber Simon bestätigt, dachte Donna. Sie hatte immer gewusst, dass der Mann nicht ganz astrein war.
Vor ihnen lag ein offener Raum, in dessen Mitte sich ein großes, zylindrisches Gebilde aus Backstein befand. Es war fast so groß wie Donna, und bei näherer Betrachtung entdeckte sie, dass es sich um eine Art Ofen handelte. Xan war ihr gefolgt, um sich das Ding näher anzusehen.
Es warf Hitzewellen ab und Donna erkannte, dass es ein Athanor war, ein Ofen, der traditionell das ganze Jahr über brannte.
Sie packte Xans Arm. In letzter Sekunde ermahnte sie sich, behutsam zu
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