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Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition)

Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition)

Titel: Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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die er irgendwo gefunden hatte. Mehr als nur ein wenig grob riss er dem Mann das Werkzeug aus der Hand, trat wieder auf Carter zu, und ich konnte ihm gerade noch mit krächzender Stimme zurufen:
    »Ich zuerst!«
    Adler wirkte fast empört, doch dann schien wohl selbst er zu begreifen, dass ich weniger die erste Rettung als vielmehr das erste Risiko für mich reklamierte. Mit einem Ruck hob er seine Zange und knipste irgendetwas links neben meinem Gesicht durch. Ich spannte mich innerlich in Erwartung eines kommenden Schmerzes, doch es geschah rein gar nichts, allenfalls blieb ein vages Gefühl von Leere zurück, als hätte ich etwas verloren, von dem ich gar nicht gewusst hatte, dass ich es besaß.
    Adler sah mich abschätzend an, nickte dann knapp und setzte seine Zange an einem der Kettenglieder an, die meine Arme fesselten. Er brauchte seine ganze Kraft, um es zu durchtrennen, und obwohl er kein Schwächling war, lief sein Gesicht vor Anstrengung rot an, und die Sehnen an seinem Hals traten wie straff gespannte Drähte hervor. Schon nach dem dritten oder vierten Kettenglied war er so erschöpft, dass er das Werkzeug an einen der Constabler weitergeben musste.
    Es dauerte etliche Minuten, bis sie mich weit genug losgeschnitten hatten, dass mich das Netz freigab. Selbstverständlich machte sich niemand die Mühe, mich aufzufangen. Ich fiel so schwer auf Hände und Knie, dass ich vor Schmerz stöhnte, rappelte mich aber sofort wieder auf und wandte mich zu Allison um.
    Ich konnte nicht sagen, ob sie bei Bewusstsein war oder nicht. Ihre Augen waren nach wie vor halb geöffnet, aber auf erschreckende Weise leer, und wenn sie noch atmete, dann so flach, dass es praktisch nicht mehr zu sehen war.
    Adler hatte die Zange wieder an sich genommen und sah mich fragend an, doch ich ignorierte ihn. Stattdessen lauschte ich in mich hinein. Abgesehen von diversen Schmerzen fühlte ich nichts Verdächtiges. Wenn die Klauen der Spinne vergiftet gewesen waren, dann wirkte ihr Gift zumindest bis jetzt noch nicht.
    »Ist alles in Ordnung?«, rief Nikola.
    Ich schüttelte den Kopf und sagte laut: »Ja.«
    Daraufhin hob Adler seine Zange, doch Nikolas Stimme kam ihm zuvor. »Dann schneiden Sie mich los! Rasch! Glauben Sie mir, ich weiß, was ich tue!«
    Ich war geneigt, ihm zu glauben, und auch Adler nickte nach einigem Zögern. Der Captain gab die Zange einem der Constabler, der zu Nikola eilte und ihn loszuschneiden begann.
    »Allison?«, flüsterte ich. Mein Herz klopfte, was jetzt nichts mit dem zu tun hatte, was mir widerfahren war. »Allison? Miss Carter!«
    Vielleicht gerade weil ich flüsterte, schien meine Stimme jetzt zu ihr durchzudringen. Sie begann sich zu bewegen, soweit die rostigen Ketten das zuließen, und stellte ihre Bemühungen gleich darauf mit einem leisen Wimmern wieder ein.
    »Bewegen Sie sich nicht«, sagte ich. »Sie sind gleich frei.« Beiläufig fragte ich mich, warum ich eigentlich ausgerechnet Nikolas Wort vertraute, der an all dem hier wohl nicht ganz unschuldig war, aber Allison reagierte tatsächlich mit einem angedeuteten schwachen Nicken darauf, und ich gestattete mir ein Gefühl vorsichtiger Erleichterung. Sie lebte, und abgesehen von etlichen bösen Schrammen und hässlichen Schnitten schien sie auch weitestgehend unversehrt zu sein.
    Wenn ich von dem glänzenden Metallstift absah, der aus ihrem Hals ragte.
    Meine vorsichtig gefasste Hoffnung zerplatzte wie eine Seifenblase, als ich sah, wie tief der spitze Dorn in ihr Fleisch eingedrungen sein musste. Ihr Kleid war dunkel und schwer von ihrem eigenen Blut, und ihre Stirn glänzte vor Schweiß. Ihr Gesicht zeigte jetzt keine vornehme Blässe mehr, sondern kränkliche.
    »Sie werden mir jetzt auf der Stelle sagen, was das hier zu bedeuten hat!«, polterte Adler, der endlich seine Fassung zurückerlangt hatte, wenigstens zum Teil.
    »Das tue ich«, versprach ich, »sobald ich es selbst weiß.«
    Adlers Miene verdüsterte sich noch weiter, doch ich ignorierte ihn und versuchte Allisons Blick einzufangen. Vergeblich. Ihre Augen waren jetzt weit geöffnet, doch wenn sie etwas sah, dann war es nicht mein Gesicht, sondern etwas durch und durch Entsetzliches.
    »Ich weiß nicht, ob Sie mich verstehen, Allison«, sagte ich mit bebender Stimme. »Aber es wird alles gut, das verspreche ich Ihnen. Ich hole Sie hier raus.«
    Neben mir klirrte und rappelte es, und Jacobs fauchte heiser: »Versprechen Sie besser nichts, was Sie nicht halten können, Devlin. Keiner

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