Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition)
Bei ihr sah er allerdings aus wie ein modisches Accessoire, fand ich, und noch dazu eines, das ihr ausgezeichnet stand.
»Es tut noch ein wenig weh«, gestand sie, »wenn auch nicht annähernd so sehr, wie ich gefürchtet habe, als ich all diese Messer und Zangen und anderen Instrumente gesehen habe. Es ist auszuhalten.«
Mir war es ganz ähnlich ergangen. Und wenn ich bedachte, wie sehr mein Hals immer noch schmerzte, kam sie mir noch tapferer vor, als es ohnehin schon der Fall gewesen war.
»Und die anderen?«, fragte ich, schon um sie nicht unnötig in Verlegenheit zu bringen.
»Ich verstehe einfach nicht, was das alles zu bedeuten hat«, flüsterte sie. Ihr Blick ging geradewegs durch mich hindurch. »Haben wir das alles wirklich erlebt, oder war es nur ein böser Traum?«
Den wir alle zugleich geträumt hatten? Kaum.
Schritte näherten sich, und ich war jetzt sogar noch erleichterter, als die Tür aufging und mich der Peinlichkeit enthob, antworten zu müssen; wenn auch nur so lange, bis Nikola, Captain Adler und ein Mann mit schütterem Haar und weißem Kittel hereinkamen. Auf dem Kittel prangten Blutflecken unterschiedlicher Frische, und er sah ebenso erschöpft wie verstört aus. Der Mann hatte sich mir vorgestellt, doch ich hatte seinen Namen vergessen, sodass ich es bei einem gemurmelten »Doktor« beließ.
»Mister Devlin.« Uneingeladen ließ er sich auf den freien Platz neben Allison sinken, langte nach Karaffe und Glas und trank einen großen Schluck Wasser. So gierig, wie er ihn herunterstürzte, hätte man meinen können, er wäre vollständig ausgedörrt. »Würde mir einer der Herren jetzt freundlicherweise erklären, was ich da gerade getan habe?«
»Sobald Sie uns erzählt haben, wie es Ihren Patienten geht«, erwiderte Adler. »Was genau ist diesen Leuten widerfahren?«
»Eigentlich hatte ich gehofft, dass Sie mir diese Frage beantworten, Inspektor«, antwortete der Arzt, plötzlich nur noch mühsam beherrscht. Seine Finger schlossen sich so fest um das Glas, dass ich ernsthaft um beides zu fürchten begann. »Zwei oder drei dieser armen Menschen werden die kommende Nacht nicht überleben, und die anderen sind in einem Zustand, als wären sie wochenlang unter menschenunwürdigen Zuständen gefangen gehalten worden, als hätte man sie gefoltert.«
»Gefoltert?«, hakte ich nach. »Wie?«
Der Arzt deutete mit seinem Wasserglas auf den Verband an meinem Hals. »Sie hatten noch Glück, Mister Devlin. Ich konnte diesen … Fremdkörper entfernen, ohne Ihnen größeren Schaden zuzufügen. Bei den meisten anderen sieht es leider nicht so gut aus.«
»Was meinen Sie damit?«, fragte Nikola erschrocken, und auch Allison legte instinktiv die Fingerspitzen an den weißen Verband an ihrer Kehle.
»Bei Miss Carter und Ihnen war es mir leider nicht möglich, diese sonderbare … wie soll ich es nennen? Gerätschaft? … ganz zu entfernen.«
»Was genau soll das heißen, Doktor Watson?«, fragte Adler. Seine Augen wurden schmal.
»Sagen Sie es mir!«, fuhr ihn der Arzt mit unerwartetem Mut an. »Und kommen Sie mir nicht mit Darüber darf ich nicht sprechen oder so einem Unsinn! Ich habe zwei Tote dort unten, und fast ein Dutzend Menschen, von denen ich nicht weiß, wie viele von ihnen die nächsten Tage überleben werden oder ob überhaupt jemand! Ihnen ist doch klar, dass ich diesen Vorfall den Behörden melden muss, oder?«
»Nur zu«, sagte Adler. Obwohl er unverwandt weiterlächelte, war da plötzlich eine fühlbare Spannung zwischen den beiden Männern. »Melden Sie, ich bin hier.«
Watsons Lippen wurden zu einem blutleeren Strich, und ich hätte meine langjährige Erfahrung als Polizist nicht gebraucht, um zu erkennen, wie es hinter seiner Stirn arbeitete und dass da offensichtlich noch eine Rechnung zwischen diesen beiden Männern offen war.
Nikola räusperte sich übertrieben und berührte den Verband an seinem Hals, und Watson blickte ihn nun eine kleine Ewigkeit schmallippig an, bevor er fortfuhr: »Ich konnte nicht alles entfernen. Ein Teil dieser Gerätschaften ist … abgebrochen.« Ich hatte das sichere Gefühl, dass ihm eigentlich ein anderes Wort vorgeschwebt hatte, er es aber aus irgendeinem Grund nicht wagte, es zu benutzen.
»Soll das heißen, ich habe jetzt ein Stück Eisen im Leib?«, ächzte Allison.
»So wie sie alle, ja.«
»Warum haben Sie es nicht einfach herausgeschnitten, wie bei ihm?« Adler machte eine Kopfbewegung auf mich.
»So etwas übersteigt meine
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