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Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition)

Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition)

Titel: Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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obszön wirkende Weise offen lagen. Im Gegensatz zu diesem hochmodernen Apparat wirkte das danebenstehende verstaubte Mikroskop uralt und vor allem vollkommen unbenutzt. Nahezu der gesamte Stellplatz auf Regalen und Borden wurde von Fachbüchern größtenteils medizinischer Thematik beansprucht. Ich verstand herzlich wenig davon, aber sogar mir fiel auf, dass es sich zum Großteil um allgemeinmedizinische Publikationen zu handeln schien und nicht um solche, die sich mit den Krankheiten der Seele befassten, wie ich sie in einem Institut wie diesem erwartet hätte.
    Unschlüssig nahm ich einen der Bände heraus, blätterte ihn durch und wurde mit zahlreichen Illustrationen belohnt, die ausgesprochen detailliert, zum allergrößten Teil aber auch ausgesprochen widerwärtiger Natur waren, ein paar erwiesen sich als recht interessant, wobei einige wenige in einem anderen Kontext auch durchaus als anzüglich gegolten hätten.
    Gerade betrachtete ich das Bild einer unbekleideten jungen Frau, an der außer dem Gesicht wirklich alles äußerst detailliert zu erkennen war, und fragte mich, von welch wissenschaftlichem Wert (in einer Klinik für seelisch Kranke) eine solche Abbildung eigentlich war, und selbstverständlich war das der Moment, in dem die Tür aufging. Genauso selbstverständlich wie es Allison war, die hereinkam, überrascht stehen blieb und dann missbilligend die Stirn runzelte. Die Mühe, ihrem Blick zu folgen, hätte ich mir im Grunde sparen können, tat es aber trotzdem und spürte selbst, wie mir die Schamesröte ins Gesicht schoss, als mir klar wurde, wie deutlich sie die Zeichnung erkennen konnte, auf die ich starrte.
    »Ich … ähm … wollte mir nur … also nur ein wenig die Zeit vertreiben«, stammelte ich und beschloss, lieber gar nichts mehr zu sagen, bevor ich mich endgültig zum Narren machte (was vermutlich schon längst geschehen war). Ich klappte das Buch so hastig zu, dass ich die betreffende Seite prompt einknickte. Allison ließ endlich die Türklinke los, kam auf mich zu und nahm mir nicht nur das Buch aus der Hand, sondern schlug es auch dank des von mir fabrizierten Eselsohres wieder auf und betrachtete das Bild einige Sekunden lang interessiert. Hinter ihr kamen auch Watson und Nikola herein, nach einem kurzen Augenblick gefolgt von Captain Adler, der den Raum noch einmal verließ und mit zwei zusätzlichen Stühlen beladen zurückkam.
    »Es tut mir leid, dass Sie warten mussten, Mister Devlin«, begann Watson, nachdem er sich gesetzt und einen langen Blick auf das Ziffernblatt seiner Taschenuhr geworfen hatte; so als müsste er sich erst selbst überzeugen, wie viel Zeit wirklich vergangen war.
    »Das … ähm … macht nichts«, sagte ich unbeholfen. »Ich musste sowieso über vieles nachdenken.« Ich sah zu der Tür hin, die Adler hinter sich geschlossen hatte, und ganz bestimmt nicht in Allisons Richtung, aber was nutzte das schon? Ich konnte körperlich spüren, wie sie mich musterte.
    »So wie wir alle«, seufzte Watson, obwohl ich fast bezweifelte, dass er meine Worte überhaupt gehört hatte. Er sah jetzt abwechselnd das Ziffernblatt seiner Uhr an, das Telefon, das mich in seiner stählernen Skelettbauweise unangenehm an eine gewisse Riesenspinne erinnerte, und den zunehmend ungeduldig wirkenden Adler – aber nicht mich.
    »Wie geht es Jacobs?«, wandte ich mich an Allison, statt die Frage zu stellen, die mir eigentlich auf der Zunge brannte, nämlich die, wie es ihr erging. Aus irgendeinem Grund wollte ich sie nicht stellen, solange Nikola dabei war. Und schon gar nicht vor Adler .
    »Wirklich nicht gut«, antwortete sie, wobei ihr gutmütig-anzügliches Lächeln mit jedem Wort eine Winzigkeit mehr verblasste und schließlich ganz verschwunden war. »Er ist sehr schwach. Und ich glaube, er weiß, dass er stirbt.«
    »Aber Sie haben mit ihm gesprochen?« Und was vor allem hatte sie mit Mulligan zu besprechen gehabt, das offenbar so geheimnisvoll gewesen war?
    Allison antwortete darauf nur mit einem knappen Nicken, und ihr Blick schien nun geradewegs durch mich hindurchzugehen. Doch ich glaubte zu spüren, dass das Bedauern in ihrer Stimme echt gewesen war, vielleicht sogar wirkliches Mitleid. Was immer sie auch in Wahrheit für Stanley Jacobs empfunden haben mochte, er war ihr nicht gleichgültig.
    »Und er hatte Interessantes zu berichten«, fügte Nikola hinzu. »Und Beunruhigendes.«
    »Sie haben auch mit ihm gesprochen?
    »Leider nur sehr kurz«, bestätige Nikola und fuhr

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