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Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition)

Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition)

Titel: Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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an, um aus seinem anschließenden Kopfschütteln irgendetwas anderes als eine barmherzige Lüge zu machen.
    »Sie sind bei ihnen«, sagte Chip, auch jetzt wieder mit jener unheimlichen Stimme, die mir einen eisigen Schauer über den Rücken gejagt hätte, hätte ich es zugelassen – als wären seine Stimmbänder zerschnitten und nicht wieder richtig zusammengesetzt worden.
    »Du weißt, wo sie sind?«, fragte ich.
    Chip sah mich an und zugleich geradewegs durch mich hindurch. Er antwortete mit einer Bewegung, die ebenso viel von einem Nicken wie von einem Kopfschütteln hatte.
    »Aha«, sagte Adler mürrisch. »Und was genau bedeutet das nun? Sprich gefälligst nicht in Rätseln, Bürschchen!«
    »Alle sind sie«, antwortete Chip kryptisch. Nun sah er mich direkt an, doch ich hatte immer noch das Gefühl, dass er zugleich etwas anderes und ungleich Furchteinflößenderes erblickte. »Sie sind viele, aber auch eins. Und überall.«
    »Der Bursche redet wirres Zeug«, stellte Adler fest. Ich hätte ihm gerne zugestimmt, aber damit hätte ich es mir wohl zu leicht gemacht. Etwas nicht zu verstehen bedeutete nicht zwingend, dass es keinen Sinn ergab.
    Obwohl mir selbst diese kleine Anstrengung im Moment überaus groß erschien, stand ich auf, ging die wenigen Schritte zu ihm hin und ließ mich neben Chip in die Hocke sinken. Sein Blick folgte mir zwar, aber nur mit einer spürbaren Verzögerung, so als bewegte ich mich einfach zu schnell für die versetzte Zeitebene, auf der er nun existierte.
    Was für ein seltsamer Gedanke.
    Vorsichtig griff ich nach seiner Hand und zögerte noch einmal unmerklich, ehe ich sie berührte, doch das Unheimliche, auf das ich wartete, blieb diesmal aus. Das Gefühl unwillkommener Verbundenheit basierte wohl auf Gegenseitigkeit, und nun, wo wir beide von dem unheiligen Myzelium befreit waren, war da nichts als ein vages Empfinden von Leere. Es gehörte zu dem Unheimlichsten, das ich je erlebt hatte. Ich musste mich überwinden, die Hand nicht sofort wieder zurückzuziehen, sondern seine Finger im Gegenteil noch fester zu ergreifen.
    Eine ganze Weile saßen wir einfach in vertrautem Schweigen da, und ich glaubte zumindest zu spüren, wie sich so etwas wie ein vorsichtiges Vertrauen zwischen uns aufzubauen begann. Aber da war noch mehr. Es war unmöglich in Worte zu fassen, nicht einmal wirklich in Gedanken, aber da war etwas wie das Sichregen der verschütteten Erinnerung an etwas, das ich nie erlebt hatte; das Flüstern lautloser Stimmen, die in einer Sprache miteinander wisperten, die ich niemals gelernt hatte und doch eigentlich verstehen sollte.
    Und natürlich war es Adler, der den Moment auf seine eigene unverwechselbare Weise beendete. »Sollen wir euch zwei Turteltäubchen für eine Weile allein lassen, oder können wir allmählich wieder zum Thema kommen?«
    »Sie sind ein Dummkopf, Captain«, sagte Nikola verärgert, und Watson drückte noch einiges mehr mit dem verächtlichen Blick aus, mit dem er Adler maß, wandte sich dann aber mit umso ruhigerer Stimme und sogar der Andeutung eines Lächelns an den Jungen.
    »Erzähl Mister Devlin, was du uns gesagt hast, Chip«, bat er.
    Auch jetzt vergingen wieder etliche Augenblicke, bevor Chip zeigte, dass er diese Worte verstanden hatte. Er reagierte allerdings nicht so, wie es sich Watson (und erst recht Adler) vorgestellt hatte, sondern wandte sich direkt an mich. »Es tut mir leid.«
    »Was?«
    »Was ich getan habe«, antwortete Chip. »Und was ich gesagt habe.«
    »Was hast du denn getan?«, fragte Watson sanft.
    »In der Abdeckerei«, antwortete der Junge, ohne dass sein Blick meine Augen auch nur für einen Moment losgelassen hätte.
    »Du hast mich in eine Falle gelockt«, antwortete ich, nach Kräften bemüht, es nur wie eine Feststellung klingen zu lassen und nicht wie einen Vorwurf, der mir unangemessen erschienen wäre. »Aber du wolltest es nicht. Du hattest keine andere Wahl, habe ich recht?«
    »Nein«, widersprach er.
    »Nein?« Zumindest aus den Augenwinkeln heraus sah ich, dass ich nicht der Einzige war, den dieses Eingeständnis überraschte.
    »Nein«, bestätigte Chip sehr ruhig und sehr ernst. »So ist es nicht. Sie haben mich nicht gezwungen. Zu nichts.«
    »Aha«, machte ich, was ehrlich gesagt das Einzige war, das mir in diesem Moment einfiel.
    »Soll das heißen, du hast ihn absichtlich in diesen Hinterhalt gelockt?«, fragte Adler, und in seiner Stimme war ganz eindeutig eine Drohung zu hören.
    »Er wurde

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