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Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition)

Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition)

Titel: Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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gewarnt«, antwortete Chip und nickte. Sein Blick ließ mich immer noch nicht los.
    »Er wurde …«, ereiferte sich Adler, und Nikola und ich unterbrachen ihn im exakt gleichen Sekundenbruchteil – Nikola, indem er die Hand hob und eine zornige Bewegung machte, ich mit deutlich erhobener Stimme und den Worten »Das ist die Wahrheit. Er hat mich gewarnt, nicht weiterzugehen«.
    »Oh ja, und ganz bestimmt mit dem nötigen Nachdruck, nicht wahr?«, höhnte Adler. »Aber ja, das hätte ich ja beinahe vergessen. Der arme Junge war ja nicht Herr seines freien Willens.«
    Nikola gab ein abfälliges Geräusch von sich. »Jetzt machen Sie es sich ein bisschen einfach, Captain.«
    »Du warst … sie«, vermutete ich zögernd. Chip nickte, und ich hütete mich, eine weitere Frage zu stellen, deren Antwort ich vermutlich ohnehin nicht verstanden hätte. Ich war nicht einmal sicher, ob ich sie überhaupt hören wollte.
    Ich bekam sie trotzdem. »Sie sind nicht unsere Feinde«, sagte er, und auch jetzt – wie schon einmal zuvor – hatte ich das sonderbare Gefühl, dass diese Worte nicht nur ganz allein mir galten, sondern auch noch einen tieferen und verborgenen Sinn beinhalteten, der nur mich anging. Unglücklicherweise blieb er mir allerdings auch verborgen. »Und sie zwingen niemanden. Ich wollte es. Ich war sie.«
    »Und Sie sind völlig sicher, dass der Junge wieder ganz gesund ist, Doktor?« Adler tippte sich bezeichnend mit der Fingerspitze gegen die Schläfe, womit er sich noch einen verärgerten Blick Watsons einhandelte.
    Dennoch antwortete er ganz ruhig: »Vollkommen, Captain.«
    »Und was bringt Sie auf die Idee, dass wir diesem kleinen Straßenjungen und Langfinger vertrauen können?«
    »Ich bin kein Dieb«, protestierte Chip, und Watson antwortete Adler im gleichen unverändert ruhigen Ton: »Weil er jetzt nicht mehr sie ist.«
    »Ach so«, sagte Adler. Dann verdüsterte sich sein Gesicht. »Wollen Sie mich auf den Arm nehmen, Doktor?«
    Watson musste inzwischen wohl zum gleichen Schluss gekommen sein wie ich, nämlich dass es nur einen einzigen sinnvollen Weg gab, mit Adler umzugehen, indem man ihn schlichtweg ignorierte. Er wandte sich mit einer demonstrativen Drehung des Oberkörpers direkt an Chip. »Erzähl uns, woran du dich erinnerst, mein Junge«, bat er. Adlers Gesicht verdüsterte sich noch weiter. »Du weißt also, was sie denken?«
    »Und planen?«, fügte Adler hinzu.
    Chip schien einen Moment zu überlegen und deutete dann – nicht nur zu meiner Enttäuschung – ein Kopfschütteln an.
    »Was soll das heißen?«, schnappte Adler. Er klang ein bisschen triumphierend, fand ich. »Ich denke, du warst sie? Dann musst du doch auch wissen, welche Absichten sie verfolgen, und wie ihre Pläne sind!«
    »Sie denken schon wieder zu kurzfristig, Captain«, sagte Nikola. »So einfach ist es nicht, glauben Sie mir.«
    »Ach ja?«, giftete Adler. »Dann erklären Sie es einem dummen Menschen wie mir doch bitte, Professor.«
    Ich kann es ja wenigstens versuchen. Gut, das sagte Nikola nicht laut, aber man sah ihm an, wie gerne er es getan hätte. »Wenn ich für diesen Moment Sie wäre, Captain – ich meine, Ihre Gedanken denken würde, was wüsste ich dann über Sie?«
    »Alles?«, vermutete Adler. Ganz offensichtlich konnte er mit dieser Frage nicht wirklich etwas anfangen.
    »Kaum.« Nikola schüttelte mit einem Lächeln den Kopf, für das Adler ihn vermutlich noch in zehn Jahren hassen würde. »Sie kennen natürlich all Ihre Geheimnisse, Captain. All Ihre intimsten Wünsche und Ängste. All Ihre großen und kleinen Sünden. Ihr ganzes Leben, jede einzelne Erinnerung, von Ihrer frühesten Erinnerung an bis zu dem, was ich vor einer Sekunde gesagt und getan habe, und …«
    »Ja, schon gut«, knurrte Adler. »Ich glaube, ich habe verstanden.«
    Das glaubte ich nicht. Und Watson und Nikola offensichtlich auch nicht.
    »Lassen Sie es mich anders formulieren, Captain«, sagte Nikola lächelnd. »Wenn ich in diesem Moment, ich meine genau in dieser Sekunde, in Ihren Kopf sehen könnte …«
    »Gott bewahre!«, grummelte Adler, und Nikola fuhr völlig unbeeindruckt fort: »… Was würde ich dann sehen? Ihr ganzes Leben, mit jeder einzelnen Erinnerung, egal ob gut oder schlecht? Oder nur diesen Moment jetzt?«
    Adler sah ihn nur verwirrt an, und das konnte ich gut verstehen. Ich hatte selbst gewisse Schwierigkeiten, diesem Gedanken bis in seine letzte Konsequenz zu folgen.
    »Stellen Sie sich eine Fotografie

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