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Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition)

Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition)

Titel: Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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vor«, sagte Nikola. »Eine wirklich gute Fotografie mit mehr Details, als überhaupt technisch möglich ist. Sie sehen die Person genau so, wie sie in diesem Moment aussieht, aber Sie wissen rein gar nichts über das, was gestern war oder vor einer Woche oder einem Jahr.«
    Adler glotzte.
    »Aber du weißt, wie sie denken«, wandte ich mich direkt an Chip, schon damit das Gespräch nicht endgültig in philosophische Gefilde abglitt und wir morgen noch hier saßen und versuchten, Adler das kleine Einmaleins beizubringen.
    Chip nickte. »Sie sind nicht unsere Feinde«, sagte er noch einmal.
    »Ich glaube, das haben wir schon einmal gehört«, knurrte Adler. »Aber was sind sie dann?«
    Weil ich spürte, wie unangenehm dem Jungen diese Frage war (und ich mich hütete, auch nur darüber nachzudenken, warum) –, brachte ich Adler mit einer unwilligen Handbewegung zum Schweigen und sagte meinerseits: »Erzählst du uns, woran du dich erinnerst?«
    »Sie wollen … nur leben«, sagte Chip zögernd. Nervös fuhr er sich mit dem Handrücken über die Lippen, und erst jetzt wurde mir bewusst, wie schrecklich verheert auch sein Gesicht war. Anders als bei Nikola waren all die kleinen Wunden und Schründe gründlich gesäubert worden und frei von verkrustetem Blut, doch gerade dadurch sah ich, wie tief viele seiner Blessuren waren. Er würde für den Rest seines Lebens nicht mehr in den Spiegel sehen können, ohne an diesen Tag erinnert zu werden.
    »Und deshalb bringen sie uns um?«, schnaubte Adler.
    »Sie brauchen Leben, um zu leben«, murmelte Chip, was nicht unbedingt hilfreich war.
    »Aber du weißt, wo Miss Carter und die anderen hingegangen sind?«, fragte Watson.
    Chip löste zum ersten Mal den Blick von meinem Gesicht und sah ihn etliche Sekunden lang durchdringend und stumm an, ehe er endlich mit einer Bewegung antwortete, die irgendwo zwischen einem Nicken, einem Kopfschütteln und einem hilflosen Heben der Schultern angesiedelt war.
    »Was denn nun?«, polterte Adler. »Weißt du es, oder weißt du es nicht?«
    »Nein«, gestand Chip, ließ geschlagene fünf Sekunden verstreichen, in denen er nun wieder mich ansah, und fügte dann hinzu: »Aber ich kann … sie finden.«
    Jetzt war ich es, der ihn verblüfft ansah. »Du kannst … was?«, fragte ich schließlich, und Nikola brachte es auf den Punkt: »Du weißt nicht genau, wo sie sind, aber du kannst sie aufspüren und uns zu ihnen bringen?«
    Chip nickte zögerlich. Er sah nicht glücklich aus.
    »Worauf warten wir dann noch?«, fragte ich aufgeregt und sprang unverzüglich in die Höhe. »Bring uns hin!«
    Chip sah mich nur weiter fast scheu an, doch Nikola schüttelte den Kopf und hob besänftigend die Hand. »So einfach ist es nicht, fürchte ich. Erzähl Mister Devlin, was du uns vorhin gesagt hast, mein Junge.«
    Chip nickte zwar, ließ aber auch wieder etliche Sekunden verstreichen, ehe er antwortete. »Sie sind noch da.« Er berührte seine Schläfe. »Hier. Ich kann sie spüren. Ganz tief in mir.«
    »Das heißt, sie wissen noch immer alles?«, fragte Adler alarmiert. »Auch das, was wir gerade jetzt in diesem Augenblick besprechen?«
    Chip schwieg, und Nikola sagte zögernd: »Ich glaube nicht. Wir haben den allergrößten Teil des Myzeliums entfernt. Wenn überhaupt, dann sind es vielleicht ein paar rudimentäre Reste.«
    »Also sind wir sicher?«, insistierte Adler.
    Nikola zögerte gerade lange genug, um ein hörbares Fragezeichen hinter seine Antwort zu setzen. »Wir sollten auf jeden Fall vorsichtig sein. Schon um Allison und die anderen nicht in Gefahr zu bringen.«
    »Und was genau schlagen Sie also vor?«, fragte Adler feindselig.
    »So, wie die Dinge liegen«, seufzte Nikola, »bleibt uns nur eines übrig, fürchte ich.« Er zuckte mit den Schultern. »Warten.«
    »Und worauf?«, erkundigte sich Adler böse. »Auf besseres Wetter?«
    »Nein«, antwortete Nikola ernst. »Im Gegenteil, Captain. Auf schlechteres. Auf das nächste Gewitter.«



24

    Im Laufe der nächsten drei Tage lernte ich neben sehr vielem anderen auch noch etwas radikal Neues über das Wetter, mit dem ich niemals gerechnet hätte – nämlich dass auf schlechtes Wetter zu warten nicht nur genauso an den Nerven zerrte wie auf gutes, sondern dass es eindeutig länger dauerte.
    Nikola hatte ausgeführt, dass wir auf das nächste Gewitter warten mussten, dessen elektrische Verschmutzung die Sinne des Hive blendete, wollten wir ganz sichergehen, das Versteck der Maschinenwesen

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