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Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition)

Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition)

Titel: Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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bedeutet.« Er zuckte mit den Schultern, was von einem hellen metallischen Klappern begleitet wurde. »Oder ob es überhaupt eine Bedeutung hat.«
    Ein neuerliches Achselzucken hatte ein abermaliges und sogar noch länger anhaltendes Scheppern zur Folge, das mir einen kalten Schauer über den Rücken jagte. Ich wünschte mir, er würde damit aufhören, auch wenn dieser Laut eine ganz natürliche Ursache und seinen Ursprung nicht irgendwo in Mulligans Körper hatte, sondern in dem abgewetzten Seesack, den er in der Linken trug. Ich hatte ihn gefragt, was darin war, aber keine Antwort erhalten, und eigentlich war ich auch ganz froh darüber.
    »Was hat dieser Arthur mit dem Institut zu tun?«, fragte ich und bekam nur ein drittes Schulterzucken und ein noch länger anhaltendes Klirren und Rasseln zur Antwort. Auf ein viertes Mal würde ich es nicht ankommen lassen. Watson hatte mir zwar eine Tablette gegen mein Kopfweh gegeben, aber ich hatte das Gefühl, dass sie es eher schlimmer gemacht hatte.
    »Er kommt manchmal hierher, den ganzen langen Weg von London aus, und der Doktor und er quatschen nächtelang. Aber ich weiß nicht, worum es geht. Ich lausche nicht.«
    »Weil sich das nicht gehört?«
    Nebst etlichem anderen war Mulligan wohl auch für Ironie vollkommen unempfänglich, denn er sah mich nun sehr ernst an und nickte dann noch ernsthafter. Warum musste ich auch fragen?
    Wir hatten das Ende der Treppe erreicht, und vor uns lag eine verschlossene Tür, hinter der ich das Gitter und den Zellengang des Isolationstraktes wusste, der nur noch einen einzigen Bewohner (mit einem persönlichen Bewacher) hatte. Mulligan gab mir mit einem stummen Wink zu verstehen, dass ich zurückbleiben sollte, und stellte den Seesack vollkommen lautlos ab. Er konnte es also doch.
    »Warten Sie hier«, sagte er überflüssigerweise.
    Ich gedachte nicht, ihm zu widersprechen, sondern beschäftigte mich ausgiebig mit meiner Zigarre, während ich nachdenklich zu dem schmalen Fenster hoch oben in der Wand hinaufsah. Es war so schmutzig, dass es das Licht eher aus dem Raum herauszusaugen als den Tag einzulassen schien, und es war unmöglich zu sagen, ob ich nun in heraufziehende Gewitterwolken oder schmutziges Glas starrte. Blitze oder Wetterleuchten bemerkte ich jedenfalls nicht, meinte aber ein fernes Donnergrollen zu hören. Aber das konnte reines Wunschdenken sein. Oder Angst. Drei Tage lang hatte ich händeringend auf schlechtes Wetter gewartet. Jetzt ertappte ich mich dabei, mir nichts sehnlicher zu wünschen als strahlenden Sonnenschein und Windstille.
    Mulligan kam schon nach erstaunlich kurzer Zeit zurück, einen fröhlichen Ausdruck auf dem Gesicht und zumindest ohne Blut an den Händen. Wortlos nahm er seinen Seesack auf und bedeutete mir, ihm zu folgen, was ich ebenso schweigend tat.
    Die Gittertür stand offen, und der Stuhl vor der letzten Tür des Gangs war umgefallen. Ich fragte nicht, was genau passiert war.
    Vor der Tür stellte er seinen Seesack ab und trat mit einer einladenden Geste beiseite, die die Frage überflüssig werden ließ, ob er mir hineinfolgen würde. »Lassen Sie sich nicht zu viel Zeit«, knurrte er. »Wir haben nämlich keine mehr.«
    Ich verschwendete eine halbe Sekunde damit anzuklopfen, trat dann aber, ohne abzuwarten, ein und hatte in der fast völligen Dunkelheit zuerst Mühe, überhaupt etwas zu erkennen. Trotzdem spürte ich, dass sich etwas verändert hatte. Was es war, begriff ich erst, als ich Chips Stimme hörte.
    »Ich habe auf Sie gewartet, Mister Devlin.«
    Er war nicht nur wach, sondern hatte sich auf seiner Pritsche aufgesetzt, und ich glaubte zu spüren, dass er mich ansah. Und auch, dass etwas nicht stimmte.
    »Sie sind fort«, fuhr Chip fort.
    Ich konnte gerade noch dem Impuls widerstehen, mich in der winzigen Zelle umzusehen. »Wer?«
    »Die Stimmen«, antwortete er. »Ich höre sie nicht mehr. Ich habe geträumt, dass ich wieder zu Hause wäre, und dann waren die Stimmen fort, und ich bin aufgewacht. Da wusste ich, dass Sie kommen.«
    Also war Watsons Theorie richtig gewesen. Zumindest bisher.
    »Und warum?«
    »Sie haben gefragt, ob ich Ihre Freunde finden kann.«
    »Und das kannst du?«
    »Wenn Sie mich nach Hause bringen.«
    Das verstand ich nicht. »Du … willst zurück?«, fragte ich ungläubig. »Zurück zum Kollektiv?«
    »Ich gehöre dorthin«, antwortete er. »Sie waren gut zu mir.«
    Und vielleicht war es sogar das allererste Mal gewesen, dass irgendjemand gut zu diesem

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