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Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition)

Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition)

Titel: Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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sein Nicken. »Sie haben mir etwas versprochen, Mister Devlin. Ich wollte, dass Sie das hier sehen. Vergessen Sie es nicht.«
    »Darf ich fragen, was Sie ihm versprochen haben, Mister Devlin?«, fragte Watson hinter mir.
    »Ja. Dass ich ihn nach Hause bringe.«
    Bevor Watson nachhaken konnte, forderte ich Chip mit einer stummen Kopfbewegung auf, dass er die Führung übernehmen sollte. Ich war noch weniger überrascht als gerade, als er an mir vorbei und zu dem zum zweiten Mal gewaltsam aufgebrochenen Kanaldeckel ging.
    Und noch weniger begeistert.



28

    Wenn es wirklich einen allmächtigen Gott gab, der sich noch dazu um das Schicksal jedes einzelnen Menschen kümmerte – eine Frage, mit der ich mich von Zeit zu Zeit immer wieder einmal beschäftigt hatte, ohne je zu einer endgültigen Überzeugung zu gelangen –, dann musste er mir wohl an diesem ganz besonderen Tag seine ganz besondere Aufmerksamkeit gewidmet haben.
    Vielleicht hatte er es ja auch auf mich abgesehen. Es war jetzt zwei Wochen her, dass Chip mich in den stinkenden alten Schlachthof geführt hatte, und auf der einen Seite erschien mir diese Zeitspanne als sehr kurz, doch auf der anderen schien sie fast endlos gewesen zu sein, so viel war inzwischen passiert. Wenn ich mich richtig erinnerte, war es ein Montag gewesen, als ich auf die Riesenspinne getroffen war, und nun war ich den zweiten Sonntag in Folge in einen Kampf verstrickt, den ich nur gewinnen konnte, wenn sich das aufziehende Unwetter mit Blitz und Donner über dem Hafen austobte.
    Wenn denn überhaupt noch etwas zu gewinnen war.
    Chip hatte uns im Schein einer flackenden Petroleumlampe bis zu jenem Gitter geführt, an dem unsere erste Verfolgung ein so abruptes Ende genommen hatte. Adlers Männer bewachten es zwar nicht, wie ich insgeheim befürchtet hatte, hatten darüber hinaus aber ganze Arbeit geleistet: Das Gitter war zwar unübersehbar provisorisch und in großer Hast, nichtsdestotrotz aber äußerst stabil wieder hergerichtet worden, sodass unser geheimer Ausflug wohl schon an dieser Stelle geendet hätte, wären Mulligan und sein Seesack nicht gewesen. Ohne auch nur eine Sekunde zu zögern, öffnete er ihn und entnahm ihm eine gewaltige Drahtschere, mit der er die kleinfingerdicken Gitterstäbe ebenso mühelos durchknipste wie die massiven Ketten, mit denen sie gesichert waren.
    Erst als sie auf der anderen Seite zu Boden klirrten und ich vergebens nach einem Schloss oder Anfang oder Ende des Kettengewirrs suchte, ging mir auf, dass es möglicherweise gar nicht Adlers Männer gewesen waren, denen wir dieses lästige Hindernis verdankten.
    Aber ich stellte vorsichtshalber keine entsprechende Frage, als wir über die sonderbar ineinander gewachsen wirkenden Metallteile stiegen. Es stank hier unten so grässlich, dass mir schon wieder ganz sacht übel zu werden begann. Immerhin waren wir hier in der Kanalisation, in der nicht nur alle vorstellbaren menschlichen Abfälle schwammen (und ein paar ganz und gar unvorstellbare), sondern auch noch die eines kompletten Krankenhauses, was sich zusammen mit meinem noch immer angeschlagenen Zustand, der Erinnerung an überstandene Schrecken und der Furcht um Allison als ein Großangriff auf meine Sinne herausstellte, sodass ich schon nach ein paar Dutzend Schritten unbeholfen hinter Chip herwankte. Mehr als einmal ertappte ich Watson dabei, mich besorgt zu mustern, und mindestens einmal sagte er auch etwas, das mir vermutlich nicht gefallen hätte, wäre ich nicht viel zu erschöpft und durcheinander gewesen, um seinen Worten Verständlichkeit abzuringen.
    Gefühlt vergingen endlose Stunden – in Wahrheit wohl nur eine Handvoll Minuten, die aber einfach kein Ende nehmen wollten –, bis Chip endlich eine rostige Eisenleiter erreichte, die er mit geradezu unverschämter Leichtigkeit erklomm. Eindeutig weniger schnell (und elegant) folgte ich Mulligan und ihm und registrierte mit müdem Erstaunen, wie beiläufig und mit nur einer Hand er den schweren eisernen Deckel über sich wegschlug. Graues Licht und staubiger eisiger Sprühregen empfingen uns, und ich hörte ein helles Knacken, gefolgt von einem schmerzhaften Einziehen der Luft zwischen den Zähnen.
    Dann war Chip auch schon verschwunden, und es wurde heller und kälter, aber zugleich schlug mir auch ein Schwall von so köstlich sauber riechender Luft entgegen, dass ich für einen Moment alles vergaß und die Leiter hinter Mulligan regelrecht hinaufflog. Auf dem allerletzten Stück langte

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