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Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition)

Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition)

Titel: Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Werftarbeiter nach mir grabschte.
    Allerdings musste ich auch zugeben, dass es nicht besonders schwer war, ihr auszuweichen, denn der Angriff war zwar ungemein kraftvoll und im urtümlichen Sinne des Wortes unmenschlich stark ausgeführt, aber zugleich auch beinahe grotesk langsam und auf eine Art ziellos, die sonderbar irritierend wirkte, beinahe komisch.
    Das war wohl auch der Grund, warum mich ein anderer um ein Haar erwischt hätte. Mulligan schrie im letzten Moment: »Inspektor!«, doch bevor ich begriff, dass es eine Warnung war, war es beinahe zu spät. Und wenn man es genau nahm, nicht einmal wirklich beinahe, sondern ganz eindeutig zu spät, denn es war Watson, der mich am Schlafittchen ergriff und mit einer Kraft zurückriss, die ich einem Mann seiner Statur niemals zugetraut hätte.
    Dieses Mal verfehlten die zuschnappenden Eisenfinger mein Gesicht so knapp, dass sie vier heftig brennende Kratzer auf meiner Wange hinterließen, die augenblicklich zu bluten begannen. Der Ruck brachte mich nicht nur aus dem Gleichgewicht, sondern hätte mich wohl auch zu Boden geschleudert, hätte Watson mich nicht mit der anderen Hand festgehalten.
    Mir blieb weder Zeit, meiner Verwunderung Ausdruck zu verleihen, noch, mich bei ihm zu bedanken, denn schon bestürmte mich ein weiterer Eisenmann. Auch Mulligan und der Doktor sahen sich nun mit gleich drei perfekten Menschen-Kopien konfrontiert, die tollpatschig nach ihnen griffen oder sie mit plump tapsigen Schritten einzukreisen versuchten. Nun, da sie den Vorteil der Überraschung nicht mehr auf ihrer Seite hatten, war es sowohl Watson als auch Mulligan – und sogar mir – ein Leichtes, ihnen auszuweichen und ihre ungeschickten Bewegungen vorauszuahnen.
    Das Problem war nur, dass es sehr viele waren. Möglicherweise zu viele, um ihnen zu entkommen. Aus allen Richtungen näherten sich Männer, langsam und mit grotesk torkelnden Bewegungen, mit leeren Gesichtern und wie tastend ausgestreckten Armen, als wären sie betrunken oder blind oder Opfer des Kugelfischgiftes, das die Schamanen gewisser Stämme auf Kuba oder Hispaniola angeblich benutzten, um Menschen in gehorsame Marionetten ohne eigenen Willen und quasi ohne Intellekt zu verwandeln.
    Der Anblick war Furcht einflößend und grotesk zugleich. Wäre die Lage nicht von Sekunde zu Sekunde bedrohlicher geworden, hätte ich mich eines hysterischen Lachens wahrlich nicht länger ermahnen können.
    Ich versuchte nicht einmal die Anzahl der Gestalten zu schätzen, die scheinbar aus allen Richtungen zugleich auf uns zuwankten. Es mussten Dutzende sein, und die Dunkelheit hinter ihnen war von einer Art, der anzusehen war, dass sie noch mehr feindselige Bewegung barg. Ich bemerkte aus den Augenwinkeln, wie sich Mulligan unter den Händen einer heranstolpernden Gestalt weg- und prompt in die Umarmung eines zweiten Angreifers hineinduckte, der er nur noch durch eine ebenso schnelle wie eigentlich unmögliche Drehung entging. Und auch Watson hatte plötzlich seine liebe Mühe, nicht gepackt und möglicherweise gleich in Stücke gerissen zu werden. Dann war auch meine Rolle als Zuschauer vorbei, und ich musste einem ganzen Wust grabschender Hände gleichzeitig ausweichen, die in meine Richtung gereckt wurden.
    Zwei davon gehörten Chip, und sie waren es auch, die mich erwischten – vermutlich weil ich einen Moment lang einfach wie gelähmt dastand und den Jungen anstarrte. Mein Verstand sagte mir, dass er nichts dafür konnte, aber meine Augen bestanden darauf, dass es derselbe verschlagene Bursche war, der uns hierher und – mich bereits zum zweiten Mal – in eine Falle gelockt hatte.
    Ich reagierte deutlich zu spät und viel zu heftig. Chips Hand, die mir trotz all der Narben und noch nicht verheilten Wunden unnatürlich glatt und hart vorkam, schloss sich um mein Gelenk. Es war wie ein elektrischer Schlag, der mich durchfuhr, sodass ich den Arm mit der schieren Kraft reiner Todesangst hochriss – mit dem Ergebnis, dass Chip meterweit zurückgeschleudert wurde und dann hart genug auf den Rücken fiel, um ihm auf der Stelle das Bewusstsein zu rauben.
    Mir blieb keine Zeit, mich dieses kleinen Triumphs zu erfreuen, denn ein ganz und gar nicht menschlicher Arm aus hartem Metall legte sich von hinten um meinen Hals und riss nicht nur meinen Kopf so brutal in den Nacken, dass ich meine Wirbel knacken hörte, sondern presste auch das allerletzte bisschen kostbarer Atemluft mit einem pfeifenden Schrei aus meinen Lungen. Schlagartig

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