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Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition)

Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition)

Titel: Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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scharfkantigen Hindernissen übersäten Boden, sondern ignorierte auch ihre eigenen kleineren Artgenossen. Unter ihren stampfenden Beinen zerbrachen metallene Beinchen, sprühten Funken und barsten eiserne Rückenschilde, und mehr als ein scharfkantiges Trümmerstück fügte Chip weitere, heftig blutende Wunden zu.
    »Wir müssen etwas tun!«, sagte Mulligan mit zitternder Stimme. »Wir können doch nicht … nicht einfach zusehen!«
    Vielleicht hätte er (oder ich) tatsächlich etwas Unbedachtes getan, doch endlich hatte die Spinne ihr Ziel erreicht und Chips Martyrium zumindest vorläufig ein Ende. Ich erkannte weitere Gestalten, manche fast zur Gänze unter dem unheimlichen leuchtenden Kettengeflecht verborgen, andere vollkommen ungeschützt, als hätten sie sich einfach nur an diesem unpassenden Ort ausgestreckt, um ein kleines Schläfchen zu halten. Und einer von ihnen war …
    »Allison!« Falls noch irgendein Teil des Hive nichts von unserer Anwesenheit bemerkt haben sollte, dann änderte ich das garantiert mit meinem gellenden Schrei. Doch das war mir egal, genau wie die Tatsache, dass ich allein auf den wenigen verbliebenen Schritten dreimal über irgendetwas stolperte und mir Gesicht und Hände blutig scheuerte, als ich fiel. Watson schrie irgendetwas, dem ich keinerlei Beachtung schenkte, dann endlich hatte ich Allison erreicht, fiel neben ihr auf die Knie und ergriff sie an beiden Schultern, um sie an meine Brust zu ziehen. Um ein Haar hätte ich sie dadurch schwer verletzt, möglicherweise sogar umgebracht.
    Obwohl aufgewühlt und der Panik so nahe wie niemals zuvor in meinem Leben registrierte ich den winzigen Widerstand gerade noch rechtzeitig genug, um die beiden haardünnen silbernen Drähte, die aus ihrem Nacken ragten, nicht aus ihrem Fleisch zu reißen. Allisons Augenlider flatterten, und ich spürte, dass ich ihr nicht unbeträchtlichen Schmerz zufügte, obwohl sie nicht wach wurde. So behutsam, wie ich es nur konnte, ließ ich sie wieder zurücksinken und schob die Hand unter ihren Hinterkopf, um ihr nicht noch mehr Ungemach zuzufügen.
    Watson und sein stiernackiger Gehilfe kamen neben uns an, und Watson übernahm kurzerhand Mulligans Rolle, indem er mich so derb zurückschubste, dass ich die Balance verlor und ungeschickt auf die Seite fiel. Als ich mich wieder aufrappelte, hatte sich Watson bereits über die bewusstlose Allison gebeugt und tastete sie auf eine Art ab, die ich ihm ernsthaft übel genommen hätte, wäre mir nicht zugleich auch klar gewesen, dass er sie nur untersuchte. »Sie verdammter Dummkopf!«, schimpfte er. »Was hatten Sie vor? Wollten Sie sie umbringen?«
    Ich nahm nicht an, dass er auf diese Frage wirklich eine Antwort erwartete und gedachte auch nicht, ihm eine solche zukommen zu lassen, also robbte ich nur wortlos näher an ihn heran und beobachtete sehr aufmerksam, was er tat. Allzu viel war es nicht. Nachdem er ihren Puls und ihre Atemfrequenz überprüft, ihre Stirn nach Fieber abgetastet und ihre Lider angehoben hatte, um ihr in die Augen zu sehen, hob er ihren Oberkörper behutsam in eine halb sitzende Position an, sodass sich die Drähte wie silberne Klaviersaiten spannten und ich ein ganz feines, hohes Summen zu hören glaubte.
    »Was ist mit ihr?«, fragte ich aufgeregt. »Wie geht es ihr?«
    »Das weiß ich nicht«, antwortete Watson mit besorgter Miene. »Vom ärztlichen Standpunkt aus würde ich sagen, sie liegt in einem tiefen Koma.«
    »Koma!«, entfuhr es mir.
    Watson machte eine Geste, die wohl beruhigend wirken sollte, ihre Wirkung aber verfehlte. »Ihr Herz schlägt, und sie atmet, so weit die gute Nachricht.«
    »Und die schlechte?«
    Watson wich meinem Blick aus. »Sie ist sehr schwach. Viel schwächer, als ich erwartet habe.«
    »Das heißt, sie wird sterben?«, fragte Mulligan.
    Darauf antwortete Watson gar nicht, doch das war auch nicht nötig. Ich musste wieder an die tote Frau denken, die wir vorhin gefunden hatten. Das Hive hatte sie bei lebendigem Leib ausgesaugt, und als kein einziger Funken Leben mehr in ihr gewesen war, da hatte es sogar angefangen, ihre sterblichen Überreste zu verzehren. Oder zu verwerten , wie Chip es ausgedrückt hatte. Aber das klang in meinen Ohren nur noch schlimmer.
    »Können wir sie hier rausbringen?«
    Watson sah mich nur traurig an, doch Mulligan griff unverzüglich in seine Tasche und förderte eine langstielige Drahtschere zutage. Mit einer abwehrenden Geste hielt Watson ihn zurück. »Ich bin nicht

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