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Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition)

Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition)

Titel: Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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klirrend Glas, und die Welt wurde weiß und war erfüllt von reiner Hitze, als das auslaufende Petroleum in alle Richtungen spritzte und dabei explodierte.
    Eine unsichtbarer Hand hob mich von den Füßen, schleuderte mich meterweit durch die Luft und war sogar noch rücksichtsvoll genug, mich spielerisch umzudrehen, bevor sie mich mit solcher Wucht auf den Rücken schmetterte, dass mir fast die Sinne schwanden. Trotzdem sah ich, dass sich die Tür in eine offen stehende Hochofenklappe verwandelt hatte, aus der eine zwanzig Fuß lange, weiße und orangefarbene Stichflamme züngelte und die Decke schwärzte. Nikola hatte sich über Allison geworfen, um sie mit seinem eigenen Körper vor der Hitze zu schützen. Seine Jacke begann zu schwelen, und ich dachte hysterisch, dass ich wohl spätestens morgen früh einen Friseur aufsuchen musste, als ich sah, wie sich das Haar an seinem Hinterkopf kräuselte. Dann erblickte ich inmitten der zischenden weißen Glut etwas, das mich nicht nur sämtliche Albernheiten vergessen ließ, sondern auch alles andere.
    Es konnte nicht nur das Petroleum aus Allisons Lampe gewesen sein, das da drinnen in Brand geraten war. Der ganze Raum loderte in grellem Weiß und in den Augen schmerzendem Orange, und inmitten dieser brodelnden Hitzehölle bewegte sich ein Schatten hin und her, wie ein vom Sturm gepeitschter Baum mit tausend brennenden Ästen. Ein Kreischen erklang, unvorstellbar laut und eher wie das Geräusch eiserner Räder auf Schienen als etwas, das aus der Kehle eines lebenden Wesens stammte. Die Tür stieß einen zweiten zischenden Flammenstrahl aus, und Nikola umschlang Allison mit beiden Armen und rollte verzweifelt zur Seite, um einem lichterloh brennenden Tentakel zu entgehen, der aus der Flammenhölle wuchs und wie eine blinde Schlange nach ihr tastete. Das Schreien und Kreischen wurde noch einmal lauter und schmerzte in den Ohren, und die Luft war mit einem Male von einem Gestank erfüllt, der sich vollkommen von allem unterschied, was mir jemals begegnet war, und augenblicklich heftige Krämpfe in meinen Eingeweiden auslöste.
    Trotzdem sprang ich auf die Füße, riss mit angehaltenem Atem die Unterarme vors Gesicht und war mit einem einzigen gewaltigen Sprung bei der Tür, um sie mit der Schulter zuzurammen. Sie war so heiß, dass es selbst durch den dicken Stoff der Jacke hindurch wehtat und ich mir die Finger verbrannte, als ich den Riegel zuschob. Kaum hatte ich es getan, da prallte etwas mit solcher Wucht gegen die andere Seite der Tür, dass sie wie eine Glocke dröhnte und der Boden unter uns erzitterte. Ein zweiter und noch heftigerer Schlag folgte, sodass ich erschrocken zurückprallte und halbwegs damit rechnete, die Tür aus Angeln und Rahmen fliegen zu sehen.
    Doch sie hielt, und dieser zweiten Attacke folgte auch keine dritte mehr. Das Kreischen und Klingeln hielt an, aber vielleicht dröhnte es ja auch nur noch so laut in meinen Ohren. Mein Herz hämmerte bis in die Fingerspitzen, und ich konnte zwar wieder atmen, musste aber noch immer meine gesamte Willenskraft aufbieten, um mich nicht zu übergeben.
    Hinter mir begann Allison qualvoll zu husten, und der Laut riss mich nicht nur in die Realität zurück, sondern erinnerte mich auch daran, dass es möglicherweise noch nicht vorbei war. Hastig drehte ich mich um und wurde mit einem Anblick belohnt, der vielleicht nicht ganz so unmittelbar tödlich war wie der gerade, aber kaum weniger bizarr: Nikolas Rühmkorff-Lampe war umgefallen, brannte aber ungerührt und ruhig weiter, und auch aus seiner Hose und (wie ich entsetzt erkannte) Allisons Kleid züngelten an einem Dutzend Stellen winzige Flämmchen. Kaum eine Armeslänge neben uns peitschte und wand sich etwas auf dem Boden, das ein brennender Gummischlauch hätte sein können, hätte es sich nicht wie unter Schmerzen hin und her geworfen und ein aufgerissenes Maul mit Hunderten spitzer Nadelzähne an einem Ende gehabt.
    Ich war mit einem Satz da, stieß das brennende Schlangen-Ding mit dem Fuß weg und beugte mich hastig über Allison, um mit beiden Händen die Flammen auszuschlagen, die aus ihrem Kleid züngelten. Dasselbe mit seinen eigenen Kleidern zu tun überließ ich Nikola, schon als Revanche dafür, mir beinahe Allisons Petroleumlampe ins Gesicht geworfen zu haben.
    »Ist alles in Ordnung?«, keuchte ich, obwohl offensichtlich nichts in Ordnung war. Allisons Gesicht war voller Ruß und Blut, in ihrem Haar und überall auf ihrem Kleid schwelten immer

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