Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition)

Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition)

Titel: Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
hatte; auch wenn ich mir schmerzlich der Tatsache bewusst war, dass meine Hilfe allerhöchstens auf einen mitfühlenden Blick beschränkt sein würde. Ich war kein Arzt, hatte aber schon genug gesehen, um zu erkennen, dass sie augenscheinlich nicht lebensgefährlich verletzt war; aber auch viele kleine Blessuren konnten sich zu etwas Schlimmem vereinen, und davon hatte sie wahrlich genug.
    »Können Sie aufstehen, Allison?«, fragte ich. »Wir müssen Sie zu einem Arzt bringen. Gibt es eine Klinik hier in der Nähe? Ich kenne mich in dieser Gegend überhaupt nicht aus, aber Ihr Fuß muss versorgt werden.«
    »Kein Arzt«, sagte sie kopfschüttelnd. »Dafür ist keine Zeit. Begreifen Sie denn nicht, was wir da gerade gesehen haben?«
    »Nein«, antwortete ich. »Und es spielt zurzeit auch keine Rolle. Wir werden schon einen Arzt finden. Kommen Sie!«
    Ich erntete nur ein noch entschlosseneres Kopfschütteln und einen zornigen Blick aus ihren Augen und verfiel in einen etwas sanfteren Ton, um die Taktik zu wechseln. »Ihr Fuß muss versorgt werden«, sagte ich noch einmal. »Und der Riss da an Ihrer Stirn gefällt mir auch nicht. Sie wollen doch keine hässliche Narbe zurückbehalten, oder?«
    Mein Versuch, an ihre weibliche Eitelkeit zu appellieren, half nicht. Allison schüttelte nur heftig den Kopf. »Kein Arzt«, wiederholte sie entschieden, »und erst recht kein Krankenhaus! Dafür haben wir jetzt keine Zeit, verstehen Sie das nicht?«
    »Nein«, sagte ich. Und wie auch?
    »Wir müssen hier weg«, beharrte Allison. »Ich muss in Stanleys Büro, um dort etwas zu überprüfen! Helfen Sie mir!«
    Ich streckte zwar gehorsam die Hand aus und half ihr, sich mit zusammengebissenen Zähnen und einem schmerzerfüllten Schnauben aufzurichten, doch ich musste sie auch gleich darauf schon wieder auffangen, als sie den verletzten Fuß belastete und ihr Bein prompt unter ihr wegknickte.
    »Also?«, fragte ich und hoffte, nicht allzu schadenfroh zu klingen. »Was halten Sie jetzt davon, zu einem Arzt zu gehen?«
    »Vielleicht ist es ja doch eine gute Idee«, presste Allison widerwillig hervor. Sie ließ sich erneut aufhelfen, stützte sich schwer auf meinen Arm und presste die Lippen zusammen, während sie den Fuß ein zweites Mal – diesmal vorsichtiger – belastete.
    »Ich wusste, dass Sie vernünftig sind.«
    »Sie dürfen mich zu einem Arzt bringen, Quinn«, sagte Allison. »Gleich nachdem wir in Stanleys Büro gewesen sind.«



8

    Ich habe noch nie viel von Kompromissen gehalten – um nicht zu sagen, gar nichts –, und was als Nächstes geschah, sollte mir recht geben. Für mich war schon der Begriff fauler Kompromiss eine Doppelung, hatte ich doch nur zu oft die Erfahrung gemacht, dass Kompromisse von Natur aus nur faul sein konnten und eigentlich immer darauf hinausliefen, dass alle Beteiligten nur sehr wenig von dem bekamen, was sie eigentlich wollten, und dafür gar zu viel aufgeben mussten. Ich hätte gewarnt sein müssen, als Allison schließlich einen genau solchen Kompromiss vorschlug und sich bereit erklärte, wenigstens ihre ärgsten Blessuren versorgen zu lassen, wenn sie auf dem Weg zum Arzt noch einmal kurz in der kleinen Pension vorbeisehen konnte, in der sie wohnte, um etwas zu holen, über dessen wahre Natur sie sich vorsichtshalber nicht ausließ.
    Da es in unserem mitgenommenen Zustand vollkommen unmöglich gewesen wäre, ein öffentliches Verkehrsmittel zu benutzen, ohne Aufsehen zu erregen (oder im Zweifelsfall gleich verhaftet zu werden), hatten wir uns in Nikolas brandneuem Ford T Tourer durch den allabendlichen Verkehr gequält. Unzählige Pferdegespanne, sich unverschämt durchdrängelnde Radfahrer und lärmende Automobile verstopften die Straßen ebenso hoffnungslos, wie ich es befürchtet hatte. Mehrmals kam der Verkehr sogar gänzlich zum Erliegen. Für den an sich überschaubaren Weg zu Allisons Pension benötigten wir fast eine Stunde, und der von ihr vorgeschlagene Kompromiss bestand am Ende darin, dass sie uns eine weitere halbe Stunde im Wagen warten ließ, um dann in einem anderen Kleid und mit notdürftig gekämmtem Haar und einem auffälligen Pflaster auf der Stirn zurückzukommen und zu verkünden, dass sie sich schon viel besser fühle und es nicht mehr notwendig sei, Zeit für einen Besuch beim Arzt zu verschwenden, der auch nicht mehr tun könne als sie gerade und nur unnötige Kosten verursachen würde.
    Ich hatte zwar noch einmal der Ordnung halber protestiert, mich aber dann

Weitere Kostenlose Bücher