Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition)
wandte Nikola ein.
»Also, mir ist es ziemlich real vorgekommen«, widersprach ich. Immerhin hatte mir das Ding beinahe das Gesicht weggerissen.
»Mir auch«, gestand Nikola, »aber das heißt nicht, dass es das auch war. Die Konzentration giftiger Dämpfe muss dort unten fürchterlich sein. Es könnte eine Halluzination gewesen sein.«
»Die wir alle drei hatten?«
»Ich weiß, wie das klingt«, gab Nikola zu. »Und ich bin weder Chemiker noch Arzt. Aber Sie haben diese giftige Brühe doch gesehen. Weiß Gott, was sie mit unseren Sinnen angestellt hat oder unserem Verstand. Von unserer Gesundheit ganz zu schweigen.«
»Und es spielt auch gar keine Rolle, begreifen Sie das eigentlich nicht?«, fügte Allison hinzu.
»Nein«, antwortete ich wahrheitsgemäß.
»Es ist doch vollkommen egal, ob all diese giftigen Chemikalien nun tatsächlich irgendwelche menschenfressenden Ungeheuer ausgebrütet haben oder die Menschen nur den Verstand verlieren und an einer Halluzination zugrunde gehen«, sagte sie zornig. »Das muss aufhören! Das wird aufhören!«
»Und wie?«, fragte ich. Ich war ganz sicher, dass es keine Sinnestäuschung gewesen war, aber unglücklicherweise hatte Allison recht. Es spielte überhaupt keine Rolle. Nicht im Endergebnis. Mir jedenfalls war es ziemlich egal, ob ich nun von einer eingebildeten oder einer wirklichen Spinne aufgefressen wurde, solange mich am Ende beides umbrachte.
»Ich werde damit an die Öffentlichkeit gehen«, sagte Allison. »Ich habe gute Kontakte zur Presse. Wenn sich schon niemand dafür interessiert, was wir der Welt antun, in der wir alle leben, dann ganz gewiss dafür, um wie viel Geld die Stadt und ihre Bürger betrogen worden sind.« Sie gab sich Mühe, ein möglichst abfälliges Geräusch hervorzubringen. »Geld ist immer ein Thema, das die Leute interessiert.«
Damit hatte sie zweifellos recht, auch wenn ich ihren heiligen Zorn zwar ganz entzückend fand, aber nicht wirklich teilen konnte. Ich hatte Dinge wie diese schon zu oft erlebt, um nicht zu wissen, wie es enden musste: Wenn ihre Geschichte überhaupt den Weg an die Öffentlichkeit fand (was ich bezweifelte), dann würde es ein paar Artikel in den Zeitungen geben, ein wenig Rauschen im Blätterwald und (sehr wenig) echte öffentliche Empörung. Möglicherweise würden sie eine mittlere Charge aus der Verwaltungsebene auf das Schafott führen, und nach diesem Bauernopfer und ein klein wenig verstrichener Zeit würde sich rein gar nichts geändert haben und das Gift weiter in die See fließen, nur durch Rohre, die etwas besser versteckt waren. Aber ich brachte es nicht übers Herz, ihr das so brutal zu sagen.
»Und wie genau«, fragte ich stattdessen und so sanft wie möglich, »wollen Sie das bewerkstelligen?«
Allison begann den Plan zusammenzufalten. »Das hier ist Beweis genug, und alles andere steht in den Büchern. Wenn ich sie den richtigen Leuten zuspiele, dann hat diese Schweinerei ein Ende, das garantiere ich Ihnen!«
»Das mag sein«, sagte ich, »aber ich muss Sie nicht extra darauf hinweisen, dass wir gerade gegen eine ganze Anzahl von Gesetzen verstoßen, oder?«
»Zum Beispiel?«, fragte Allison verächtlich.
»Von Hausfriedensbruch und Unterschlagung einmal ganz abgesehen«, mischte sich Nikola ein, noch bevor ich antworten konnte, »sind das alles hier noch keine Beweise. Allerhöchstens Indizien. Und nicht einmal das wirklich.«
»Auf welcher Seite stehen Sie eigentlich, Nikola?«, ereiferte sich Allison.
»Auf Ihrer, Allison«, antwortete Nikola ruhig. »Und wenn es sich wirklich so verhält, wie es den Anschein hat, dann zu mehr als einhundert Prozent, glauben Sie mir. Aber wir sollten sehr vorsichtig sein. Wenn Ihre Vermutung zutrifft, dann haben wir es mit gefährlichen Gegnern zu tun. Wenn wir sie zu früh warnen, dann gewinnen wir nichts.« Er deutete auf mich. »Ganz im Gegenteil. Quinn hat recht, wissen Sie? Wir machen uns gerade strafbar.«
»Blödsinn!«, sagte Allison noch einmal. »Was haben wir denn getan, außer die Wahrheit ans Tageslicht zu bringen?«
Ich wollte antworten, doch da flog die Tür auf, und im gelben Licht der bewusst altmodischen Gaslampen draußen auf dem Flur erkannte ich gleich eine ganze Anzahl schattenhafter Gestalten, die hereingestürmt kamen. »Fangen wir mit Einbruch an, junge Dame«, sagte eine tiefe Stimme. »Und so wie ich es sehe, kommt mindestens noch versuchter Diebstahl hinzu. Ich bin sogar sicher, wir finden noch mehr.«
Ich hob die
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