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Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition)

Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition)

Titel: Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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einmal gewesen war, nämlich eine Fabrik, in der das Töten zu industrieller Perfektion getrieben worden war: große gemauerte Becken, schwarz von Blut, das über Jahrzehnte Tag für Tag darin eingetrocknet war, rostige Beile und Sägen, die an nicht minder rostigen Gestellen an der Wand hingen, und einmal kamen wir an einem ganzen Raum voller gebleichter Schweineschädel vorbei, die bis fast unter die Decke gestapelt waren. In unregelmäßigen Abständen brannten Gaslampen an den Wänden, die trotz all des Verfalls allesamt noch funktionierten. Auch hier befand sich eine klebrig schwarze Schicht auf dem Boden, die bei jedem Schritt unangenehm saugende Laute erzeugte.
    »Wohin bringst du uns, Stanley?«, wisperte Allison. »Es ist unheimlich hier. Und wo ist Nikola geblieben? Was willst du uns hier unten zeigen?«
    Sie bekam keine Antwort und erwartete sie wohl auch nicht. Ich ertappte mich dabei, die Hand ganz ohne mein Zutun auf den Revolvergriff zu legen, wie um mich an ihm festzuhalten. Ich fand es hier unten mehr als nur unheimlich .
    Auch das Geräusch, das uns oben an der Treppe in Empfang genommen hatte, war lauter geworden, und nun schien es mir weniger ein Summen zu sein als vielmehr ein Rauschen, das mir fast bekannt vorkam, ohne dass ich es im Moment zuordnen konnte.
    »Nikola ist verschwunden«, wiederholte Allison. »Eben war er doch noch hier …« Sie drehte sich einmal um ihre eigene Achse. »Stanley, ich will hier nicht sein! Bring mich weg.«
    »Gleich, Liebes«, sagte Jacobs. »Nikola ist dort drinnen. Er wartet auf uns.«
    Ein halblautes und viel zu lang anhaltendes Klimpern und Klirren ertönte, als er in die Jackentasche griff und einen Schlüsselbund hervorzog, der zu groß erschien, um überhaupt Platz darin zu finden. Wieder hatte ich das Gefühl, mich eigentlich an etwas erinnern zu sollen, und auch jetzt wieder, ohne dass es mir gelang.
    Dafür fiel mir etwas anderes auf. Auch in diesem Teil des Kellers konnte das Gebäude sein wahres Alter nicht verhehlen, denn statt moderner Glühlampen verbreiteten Gaslampen ein gelblich mildes Licht, an dem mich dasselbe vage Gefühl von Falsch störte wie an allem hier. Was ich vermisste, das war das kaum merkliche Zischen des ausströmenden Gases. Und die Wärme. Gaslampen wurden warm, je nach Konstruktion auch heiß, was schon zu mehr als einem Zimmerbrand geführt hatte.
    Diese Lampen waren kalt. Selbst als ich die Hand hob und den Finger dicht über das Glas hielt, spürte ich keinerlei Hitze.
    Und das Licht flackerte auch nicht, wie Gaslicht es tun sollte, sondern brannte so gleichmäßig wie die Sonne am Himmel.
    Dann begriff ich.
    Es war ebenfalls elektrisch.
    Ich konnte zumindest eine der Lampen deutlich genug sehen, um zu erkennen, dass es keinerlei Leitungen gab, weder für Gas noch für elektrischen Strom. Nicht einmal einen einzelnen Draht. Es war eine leuchtende, kalte Kugel aus Glas.
    Hatte Jacobs uns hierher gebracht, um uns das zu zeigen? Zwar konnte sich die Zuleitung in der Wand befinden, statt in einem Stahlrohr-Aufputz verlegt zu sein, wie es üblich war, aber eine Glühbirne, die, während sie in Betrieb war, keine große Hitze ausstrahlte – dafür fand ich keine Erklärung.
    Das Geräusch quietschender Angeln drang in meine Gedanken, und ich drehte mich gerade noch rechtzeitig herum, um zu sehen, wie Jacobs die Tür öffnete und Allison die andere Hand auf die Schulter legte, um sie hindurchzuschieben. Was sich in dem Raum dahinter befand, war nicht zu erkennen, nur dass er vom gleichen blassen elektrischen Licht erfüllt war, das auch hier draußen herrschte. Mit einem Mal hatte ich ein wirklich ungutes Gefühl.
    Ich beeilte mich, die beiden einzuholen, um zu sehen, was auf der anderen Seite auf sie wartete. Doch ich war einen Sekundenbruchteil zu spät.
    Und dann ging alles so schnell, dass ich hinterher fast Mühe hatte, mich an die Dinge in der richtigen Reihenfolge zu erinnern, zumal sich Jacobs plötzlich mit einer Schnelligkeit bewegte, die nichts Menschliches hatte.
    Allison stieß einen spitzen Schrei aus, als Jacobs sie so hart durch die Tür schob, dass sie mit rudernden Armen um ihr Gleichgewicht kämpfen musste. Schatten explodierten zu reiner Bewegung überall rings um mich herum und verwirrten mich zusätzlich, da war ein Klirren und Klingen und eigenartiges Rascheln, und praktisch gleichzeitig (und absurderweise, ohne dass er sich wirklich zu bewegen schien) packte mich Jacobs am Arm und stieß mich mit einer

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