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Irre - Wir behandeln die Falschen - Unser Problem sind die Normalen - Eine heitere Seelenkunde

Titel: Irre - Wir behandeln die Falschen - Unser Problem sind die Normalen - Eine heitere Seelenkunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Luetz Eckart von Hirschhausen
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liberale Linie durch. Doch endlich entschied man sich auch zu einer Zwangsmedikation.
Und siehe da, in Kürze war die Manie abgeklungen. Doch was nun folgte, das lastete dem Psychiater noch jetzt bemerkbar auf der Seele. Denn die gesunde Patientin machte nun den »liberalen« Psychiatern bittere Vorwürfe. Sie hätten es mit ihrer abwartenden Haltung zugelassen, dass sie ihre Würde verloren habe. Ihre Kinder hätten sich ihrer entsetzlich geschämt und sie selbst denke mit Grauen an all das, was sie in der manischen Phase angestellt habe. Zwangseinweisungen sind manchmal ein mutiger Akt der Humanität. Allerdings ist das in der Praxis bei Manikern gar nicht so einfach. Man kann einen Patienten gegen seinen Willen in ein Krankenhaus einweisen, wenn er gegenwärtig sich selbst oder andere gefährdet. Der Maniker aber will weder sich selbst umbringen - wie auch bei der Bombenstimmung! - noch anderen etwas antun. Und so sind die rechtlichen Voraussetzungen für eine solche Zwangsmaßnahme oft nicht erfüllt.
     
    Daher ist man darauf angewiesen, den Maniker irgendwie zu einer Behandlung zu bewegen. Erstaunlicherweise gelingt das dem Erfahrenen dann doch meistens. Denn im Hinterkopf ahnt mancher manische Patient, dass mit ihm irgendetwas nicht stimmt. Niemals würde er zugeben, dass er krank sei, aber dennoch ist er bereit, sich in einem Krankenhaus behandeln zu lassen. Manchmal artikulieren Patienten diese doppelte Buchführung sogar ausdrücklich. Bei der Visite sagte ein manischer Patient, der regelmäßig Größenideen entwickelte, sich für den überhaupt reichsten und mächtigsten Mann der Welt hielt, in ganz ruhigem Ton: »Herr Doktor, eigentlich ist das ja ein Skandal, nun bin ich schon Multimilliardär und dennoch kann ich mir noch nicht mal eine Packung Zigaretten leisten!«

4. Die Maniker und die Normalen - Eine Erbfeindschaft
    Maniker sind farbigere Menschen als die Normalen. Gewiss kann das dann irgendwann für die Umgebung und den
Patienten selbst allzu bunt werden und deswegen muss behandelt werden. Doch die Manie hat auch ihr Gutes. Künstler und andere schöpferische Menschen erleben die manische Phase nicht selten als Zeit hoher Kreativität. Die Manie, die unbehandelt durchschnittlich vier Monate dauert, hinterlässt bei manchen Patienten eine nostalgische Erinnerung an eine Zeit lustvollen Hochgefühls. Manien behandelt man akut vor allem mit so genannten Stimmungsstabilisierern, Lithium und anderem. Diese Substanzen sind auch vorbeugend bei den bipolaren affektiven Störungen, aber auch bei den phasenhaften schweren Depressionen sehr gut wirksam. Sie bewirken in immerhin etwa 70 Prozent der Fälle, dass die Phasen seltener, weniger heftig und kürzer auftreten. Diese Entdeckung war eine Großleistung moderner Psychiatrie. Endlich einmal etwas nachweislich Wirksames vorbeugend tun zu können, darauf hatte man lange gewartet. Ich erinnere mich an eine Patientin, die schwerste depressive Phasen erlitten hatte und unter dem Einfluss von Lithium gesund geworden war. Da trat ein Nierenschaden ein, so dass der behandelnde Internist das Lithium absetzte. Erneut erkrankte die Patientin schwer. Nach Genesung bestand sie darauf, wieder Lithium zu bekommen. Sie war voll aufgeklärt, wollte aber das Nierenrisiko in Kauf nehmen, um ihre schrecklichen Depressionen nicht mehr zu bekommen. Doch es kommt vor, dass wieder gesunde Patienten, die gerade eine manische Phase hinter sich haben, die Medikation absetzen, weil sie sich im grauen Alltag der Normalität insgeheim nach einer erneuten Zeit quirligen Lebens sehnen.
     
    Für Maniker sind wahrhaftig die Normalen das Problem mit all ihren mehr oder weniger unsinnigen Regeln. Denn Regeln sind jedem Maniker ein Gräuel. Nicht selten aber versuchen die Normalen den Manikern eben mit allerlei Pädagogik beizukommen. Doch das sind Bemühungen von rührender Naivität. Denn der Maniker weiß natürlich, wie man sich richtig benimmt. Er muss das nicht lernen. Er kennt die Regeln gut, zu gut sogar. Aber er möchte sich nun einmal nicht daran halten. In seiner alles sprengenden Bombenstimmung möchte er sich von nichts und niemandem reglementieren lassen. Vor allem
nicht von diesen langweiligen Normalen. Ratsam ist daher im Umgang mit Manikern eine gewisse Toleranz, die letzte Rahmenbedingungen nicht in Frage stellt, aber innerhalb dieses markierten Rahmens dem Patienten eine gewisse Freiheit für seine manische Umtriebigkeit lässt. Gerade wenn der »bipolare« Patient

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