Irrfahrt
gestrenge Herr Professor hatte soeben eine Frage gestellt; er wollte wissen, ob der Student Gerber auch mitgekommen war.
An drei Stellen tippte Gerber auf die Landkarte: Belgien, Normandie, Calvados.
Leutnant Adam nickte. «Richtig. An einer dieser drei Stellen werden sie kommen.»
Nachdenklich verließ Gerber das Kartenhaus. Die logische Beweisführung beeindruckte ihn. Wissenschaf ist eine großartige Sache, dachte er. Mathematik, Astronomie, Physik, Chemie ... Vielleicht gar keine schlechte Idee, Naturwissenschaften zu studieren. Der Krieg kann ja nicht ewig dauern!
Die Lektion bei Leutnant Adam hatte dem Gespenst der Invasion etwas von seinem Schrecken genommen. Es blieb nur zu hoffen, daß die Experten im OKW zu den gleichen logischen Schlußfolgerungen gelangten.
Die Minensucher hatten eine Unternehmung vor. Da ihre kleinen Boote zu schwach bewaffnet waren, beschloß der Flottillenstab, die Gruppe durch einen Vorpostendampfer zu verstärken. Bei der gegenwärtigen Lage war mit Fliegerangriffen zu rechnen, vielleicht sogar mit einem nächtlichen Angrif f britischer Zerstörer.
Schon die Ausfahrt in dem engen Fahrwasser war eine Qual. Auf dem Führungsboot wehten die Flaggen «Karl gelb»: In Kiellinie folgen. Die verschieden großen und schnellen Fahrzeuge mußten versuchen, etwa gleichbleibende Abstände einzuhalten.
Die ersten Flugzeuge wurden gemeldet, als sich die Schiffe noch in Reichweite der Hafenflak befanden. In weitem Bogen, wie ein Schwarm Raubvögel, umkreisten sie den Verband außerhalb der Schußweite. Natürlich wollten die Piloten abwarten, bis die Boote auf hoher See waren.
Das letzte Fahrzeug hatte gerade die Ansteuerungstonne der Ausfahrt passiert, als der Schwarm angriff. Zwanzig Thunderbolts stießen auf den weit auseinandergezogenen Verband herunter. Ihre Taktik war einfach: Sie feuerten mit ihren Maschinenwaffen auf jene Geschütze, die ihnen die Rückseite zudrehten. Dadurch konnten die einschlagenden Geschosse in dem gewölbten Schutzschild eine verheerende Splitterwirkung entfalten.
Von der Brücke des Vorpostenbootes wurde das Feuer verteilt. Mehrfach mußte Oberleutnant Rauh einen schnellen Zielwechsel befehlen, doch es nutzte nicht viel. Gleichzeitig flogen drei Flugzeuge aus verschiedenen Richtungen das Boot an, eine lange Geschoßgarbe fegte in das Geschütz Anton und verwundete drei Mann schwer.
Da sah Gerber, wie der Matrose Rämisch an Deck lief und sich an dem dort provisorisch aufgestellten Schlauchboot zu schaffen machte. «Zurück an Gefechtsstation!» schrie Gerber, aber bei der Knallerei hatte ihn Rämisch offenbar nicht gehört. Mit seinen kräftigen Armen versuchte er, das Boot über die Bordwand zu hieven. Es war klar: Rämisch hatte durchgedreht und wollte türmen.
Gerber lief über die Niedergänge, um Rämisch an seinem Vorhaben zu hindern. Er kam zu spät. Als er das Deck erreichte, ließ Rämisch sich gerade mitsamt dem Schlauchboot über die Bordwand fallen und trieb schnell nach achtern, aus der Reichweite des Vorpostendampfers. Gerber konnte nur noch ohnmächtig die Fäuste schütteln.
Das Feuer gegen die angreifenden Flugzeuge ließ merklich nach. Zahlreiche Geschütze der Boote waren ausgefallen, viele Männer an Deck verwundet oder tot. Eine Thunderbolt kurvte über die Kiellinie des Verbandes ein. «Hart Backbord!» kommandierte Rauh. Langsam drehte der schwerfällige Dampfer. Gerber zog unwillkürlich den Kopf ein, als vier kleine Bomben aus der Maschine ausgelöst wurden. Hart neben der Backbordseite spritzten die Fontänen hoch. Rauh hatte den Bombenwurf ausmanövriert.
Durch die Kursänderung war das Fahrzeug weit aus der Linie des Verbandes geschert und blieb nun auf sich allein gestellt - eine lockende Beute für die Raubvögel. Die Splitter ihrer Geschosse wirbelten über die Aufbauten, überall Treffer und Einschläge. Rauh ließ die Brücke räumen; nur aus dem leicht gepanzerten Brückenhaus war die Führung des Fahrzeugs jetzt noch möglich.
Niemand hatte bemerkt, wie ein Flugzeug aus achterlicher Position herankam und in etwa fünfhundert Meter Höhe seine Bomben ausklinkte. Mit schrillem pfeifen und einem heftigen Knall traf eine Bombe das Vorschiff.
Über Sprachrohr meldete die Maschine Wassereinbruch. Die Nahtreffer des ersten Wurfes hatten mittschiffs einige Nieten in der Bordwand leck geschlagen. Im Kesselraum stand das Wasser schon bis an die Aschenkästen. Leutnant Adam ließ die Kesselfeuer löschen und allen Dampf
Weitere Kostenlose Bücher