Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Irrfahrt

Irrfahrt

Titel: Irrfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Grümmer
Vom Netzwerk:
eine Art Zivilkleidung ausgehändigt.
     
    Zu Anfang hatte es Heinz Apelt sehr schwer. Die Mannschaft war aus verschiedenen Flottillen herausgezogen worden. Sie bestand aus tüchtigen Seeleuten, die zum Teil schon vor dem Krieg aktiv gefahren waren. Die Schnellbootbesatzungen gehörten zur Elite. Sie wußten das auch. Alle vertraten die Meinung, daß ein unbefahrener Neuling, der direkt von einer Flakschule kam, bei ihnen eigentlich nichts zu suchen hatte.
    Apelt wurde umhergescheucht. Er mußte Putzlappen bringen und Ölkannen füllen, doch niemand beschrieb ihm genau, wo er die Sachen finden konnte. «Du Niete stehst überall im Wege», hieß es fortwährend. Und das entsprach sogar der Wahrheit. Auf dem kleinen engen Boot war es unvermeidlich, daß einer über den anderen stolperte. Im Grunde genommen war es Unfug, einen jungen Matrosen auf ein solches Fahrzeug mit eingetrimmter Besatzung zu kommandieren. Aber bei der deutschen Kriegsmarine war eben alles möglich.
    «Du machst erst mal einige Wochen Backschaft», befahl der Decksälteste. Nun durfte Heinz das Essen aus der Kombüse holen, auf- und abbacken, Geschirr abwaschen, den Fußboden feudeln. Er zeigte sich dienstwillig, was auch anerkannt wurde. «Ganz brauchbar», war die allgemeine Feststellung. Eine zeitliche Begrenzung seiner Tätigkeit wurde nicht angegeben.
    Trotzdem erntete er immer wieder Flüche und Rippenstöße, sobald er irgendwo herumstand oder etwas falsch machte. Der krummbeinige Bootsmaat Kern hatte es besonders auf ihn abgesehen. Bei der geringsten Kleinigkeit verpaßte er ihm Strafdienst. Heinz Apelt erinnerte sich an die Erzählungen des Bootsmaates in Stralsund, der auf Handelsschiffen als Moses gefahren war. Jetzt konnte er sich alles plastisch vorstellen. Allerdings gab es hier keine Ohrfeigen, aber das war auch der einzige Unterschied.
     
    Mit der Zeit lernte Apelt die Besatzungsmitglieder kennen.
    Uwe Harms, Leutnant zur See, war einundzwanzig Jahre alt. Ohne Uniform hätte ihn niemand für den Kommandanten gehalten. In der Regel trug er eine dunkelblaue Trainingshose, dazu ein weißes Polohemd und SegeItuchschuhe, die sicher nicht aus den Beständen der Kriegsmarine stammten. Über dem linken Ohr saß keck eine Schiffermütze. Mit seinem pausbäckigen Gesicht und den ewig strubbligen Haaren wirkte er wie ein Schüler, der seine Ferien gerade mit Segeln verbrachte.
    Die Meldung des neuen Besatzungsmitgliedes, die in der ersten Schrecksekunde nicht ganz vorschriftsmäßig ausgefallen war, hatte Leutnant Harms nur mit einem kurzen Nicken zur Kenntnis genommen. Dann war er an Land gegangen, ohne daß er Seite pfeifen ließ. Über manche Dinge hatte der junge Kommandant recht unkonventionelle Ansichten. Solange sein Boot im Hafen lag, kümmerte er sich wenig darum. Seitepfeifen hielt er für «altmodischen Firlefanz»; das hatte er sich gleich bei Übernahme des Bootes strikt verbeten. Die Besatzung schätzte ihn deswegen sehr. Auch mit Reinschif f gab man sich nicht sonderlich viel Mühe. Drei, vier Pützen Wasser übers Oberdeck, das war auch schon alles. Bootsmaat Kern regte sich jedesmal auf, aber es gelang ihm nicht, an diesen reichlich zivilen Zuständen etwas zu ändern.
    Allerdings kannten einige Männer den Leutnant auch von einer anderen Seite. In den Manövern war er wegen seiner unerbittlichen Strenge belobigt worden. Die Männer wußten, daß sie sich im Ernstfall bei Harms auf einiges gefaßt machen konnten.
    Der Decksälteste Otto Spindler war groß und spindeldürr. Er wurde «Spinne» genannt, nahm aber diesen Spitznamen nicht übel. Spinne war gelernter Maschinenschlosser. Schon als Junge hatte ihn die See gelockt; er wollte die Welt sehen und Abenteuer erleben. 1939 meldete er sich freiwillig zur Kriegsmarine - in einer schwachen Stunde, wie er behauptete. Bei seinem Beruf wäre er bestimmt u. k. gestellt worden.
    Ursprünglich wollte er sich Mühe geben, um bald zum Bootsmaat aufzurücken. Der Schliff in der Schiffsstammabteilung hatte jedoch bei Spinne eine nachhaltige Wirkung hinterlassen. Als man ihn für die Marinelehranstalt vorschlug, lehnte er ab. Nochmals drei Monate harter Drill schienen ihm ein zu hoher Preis für goldene Tressen und bessere Besoldung. Vor kurzem war er zum Hauptgefreiten befördert worden. Verschmitzt sagte er, daß er nunmehr seinen höchsten Dienstgrad erreicht habe.
    Als ein wichtiger Mann in der Besatzung galt der Steuermannsgefreite Heinisch. Er tat auf der Brücke Dienst, hörte

Weitere Kostenlose Bücher