Irrflug
rutschte nervös auf seinem Plastikstuhl hin und her. Schweißperlen standen auf seiner Stirn. „Ich hab’ wirklich mit der Sache nichts zu tun”, sagte er gequält.
„Okay”, gab sich Häberle wieder eher väterlich, „dann also nicht. Aber nachdem Sie bei Steinke arbeiten, können Sie uns vielleicht ein bisschen etwas über den Herrn Rottler erzählen.” Er verschränkte seine Arme und blinzelte Linkohr zu.
„Rottler? Was soll ich von dem wissen?”
„Na ja, in so einem Betrieb redet man doch auch miteinander. Oder übereinander. Tratsch und Klatsch, mein’ ich. Die Vorgesetzten sind doch beliebte Zielscheiben”, erklärte Häberle, was er meinte.
Hilgenrainer machte mit dem Kopf undefinierbare Bewegungen. „Was soll getratscht worden sein?”
„Na ja, über Beziehungen, Liebesaffären – das Übliche halt.”
Hilgenrainer lächelte verlegen. „Ich versteh’ nicht ganz, was der Herr Rottler mit allem zu tun hat?”
„Wir auch nicht”, entgegnete Häberle, „und gerade deshalb sind wir so sehr an diesem Herrn interessiert.” Häberle überlegte kurz und entschied sich dann für einen Frontalangriff: „Hat Rottler eine Beziehung zu Frau Schneider?”
Hilgenrainer verengte die Augenbrauen und klammerte sich wieder an der Tischkante fest. „Nein, das ganz sicher nicht”, sagte er mit fester Stimme, „das würd’ ich wissen.”
„Zu wem dann?”, hakte Linkohr unerwartet nach.
„Wie … zu wem?”, wiederholte Hilgenrainer vorsichtig.
Häberle ließ nicht locker: „Genauso, wie es mein Kollege gesagt hat.” Der Kommissar zeigte Verständnis: „Rottler darf doch eine Beziehung haben. Er ist nicht verheiratet, was ist also schlimm dran?”
Hilgenrainer holte tief Luft. „Es gibt da wohl ein Verhältnis”, sagte er schließlich langsam. Es fiel ihm sichtlich schwer. „Es ist ein offenes Geheimnis, seit Langem schon …” Er hielt kurz inne und schien dann froh zu sein, als es endlich raus war: „Mit der Frau vom Chef.”
Häberle ließ sich sein Erstaunen nicht anmerken, sondern erwiderte eher gleichgültig: „Keine Sorge, Herr Hilgenrainer, wir haben’s bereits geahnt. Nun würde uns aber interessieren, wie seine Beziehung zu der Frau Pulvermüller aus Wiesensteig war.”
Der Informatiker schluckte und überlegte. Dann sagte er langsam: „Das war die Sekretärin von einem unserer Steuerberater”, sagte er schließlich.
„Das wissen wir”, erwiderte Häberle ungeduldig, „aber da muss doch mehr gewesen sein. Wir gehen inzwischen davon aus, dass Rottler mit dieser Frau zum Flugplatz gegangen ist, und zwar nachts. Eine ziemliche Nacht-und-Nebel-Aktion. Irgendwie sollten wohl alle Spuren beseitigt werden. Die beiden sind nämlich mit öffentlichen Verkehrsmitteln gefahren – von Göppingen nach Plochingen mit der Bahn und von dort ziemlich umständlich mit dem letzten Nachtbus nach Kirchheim.”
Linkohr hörte genauso aufmerksam zu, wie Hilgenrainer. Diese Theorie hatte Häberle bisher nicht geäußert. Und doch klang sie, nach allem, was Zeugen gesagt hatten, absolut logisch.
„Die beiden”, fuhr dieser fort, „dürften fast zeitgleich auf der Hahnweide angekommen sein, vermutlich zu Fuß vom Kirchheimer Bahnhof aus, wie Sie und Ihre Freunde drüben bei den Bürgerseen gerade am Heimgehen waren.”
„Ich schwör’s, ich weiß von dem nichts, ich hab’ keine Ahnung, von was Sie da reden”, fiel ihm Hilgenrainer ins Wort. Er kratzte sich nervös auf dem Kopf. Das zersauste Haar hing jetzt schweißnass von der Stirn.
„Noch weiß ich nicht, was vor der Flugzeughalle geschehen ist”, gab Häberle zu, „aber irgendjemand hat, warum auch immer, die Frau Pulvermüller totgeschlagen. Lassen wir das mal außer Betracht, dann ist vermutlich Rottler Hals über Kopf mit dem Flugzeug abgehauen, denn er hatte ja an diesem Morgen kein anderes Verkehrsmittel zur Verfügung, und ist im Morgengrauen zum nächstbesten abgelegenen Flugplatz geflogen – nämlich rauf aufs Berneck.”
Der Mann sagte nichts.
„Dort”, so dozierte der Kommissar weiter, „hat er den Flieger möglichst weit weg von der Straße ins Gebüsch rollen lassen und ist zu Fuß querfeldein nach Aufhausen gegangen. Das deckt sich mit der Aussage eines Omnibusfahrers, der just zur passenden Zeit dort einen einsamen, etwas seltsamen Fahrgast aufgenommen hat. Leider kann er ihn nicht beschreiben.”
Hilgenrainer schien sprachlos zu sein, Linkohr aber auch.
Häberle ließ sich nicht beirren: „Rottler
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