Irrflug
Seite mit den Landesnachrichten gefaltet. „Bluttat auf dem Flugplatz”, lautete eine Schlagzeile. Elvira Schneider nickte und drückte an der Kaffeemaschine einige Tasten.
„Was mir immer durch den Kopf geht”, sagte er und blickte sich prüfend um, ob sich noch jemand im Lokal befand. „was mir Kopfzerbrechen macht, ist unsere Fete vom Mittwochabend. Dir ist schon klar, dass wir verdammt nah dran waren.”
Sie wandte sich von der Kaffeemaschine ab und lehnte sich an den Tresen. „Nah dran”, wiederholte sie gelassen, „zeitlich und räumlich, du hast vollkommen Recht.”
Er war überrascht, wie locker die Frau diese Feststellung nahm.
„Hast du keine Sorge, die Kripo-Menschen könnten da noch ein bisschen weiterbohren?”
„Und wenn schon?”, lächelte Elvira Schneider, „müssen wir Angst haben?”
Tommy schwieg.
„Diese Zeit braucht starke Frauen”, zwinkerte die Wirtin mit den Augen und ließ nun zwei Tassen Kaffee einlaufen, „und keine ängstlichen Männer. Der Andy macht auch beinah’ in die Hose.”
Tommy blickte sich wieder vorsichtig um. Noch immer war niemand in das Lokal gekommen. „Der Andy wär’ auch ruckzuck seinen Job los. Bei den Banken lassen die heutzutage nicht mit sich spaßen”, stellte der Geschäftsmann fest, während die Wirtin die beiden Kaffeetassen auf den Tresen stellte.
„Mein Gott, was haben wir schon getan!?”, fragte sie und nahm einen Schluck Kaffee; Tommy tat ihr es nach.
„Aber wir können ziemlich schnell in eine Sache mit hineingezogen werden, die unabsehbare Folgen hat”, sagte der Geschäftsmann mit gedämpfter Stimme, „mir wär’ es jedenfalls recht, wenn wir uns vorläufig auch hier nicht mehr treffen.”
„Schwachsinn”, wiegelte die Wirtin ab, „wir dürfen unsere Gewohnheiten jetzt nicht ändern. Jeder Depp’ würd’ doch dann gleich merken, dass etwas geschehen ist. Nein”, entschied sie energisch, „alles bleibt, wie es war – nur kein Wort vorläufig mehr über unsere Sache.”
„Du scheinst dir ja ganz sicher zu sein”, meinte Tommy mit ernstem Gesichtsausdruck.
Sie überlegte. „Wichtig ist, dass jeder Schritt überlegt getan wird, verstehst du? Natürlich ist nichts ohne Risiko. Eines besteht nämlich …” Sie zögerte.
Der Mann verengte die Augenbrauen. „Und?”
„Günter”, sagte die Wirtin knapp und nippte an ihrer Kaffeetasse.
„Der Mosbrucker?”, fragte er eher rhetorisch nach.
Sie nickte. „Ein harter Brocken.”
„Wie darf ich das verstehen?”
„Ich trau’ dem nicht so recht über den Weg.” Sie lehnte sich mit beiden Unterarmen auf dem Tresen auf, um näher an Tommy heranzukommen, „aber mach’ dir keine Sorgen, das kriegen wir geregelt.”
„Welcher Art sind die Schwierigkeiten, die er macht?”
Sie lächelte gezwungen und schwieg.
Er schien nervös zu werden. „Wir dürfen keine Schwachstelle haben”, appellierte er an sie. Einige Sekunden danach fügte er hinzu: „Ich sag’ dir, wenn das auffliegt, gibt es einen Skandal, wie ihn Göppingen noch nie gesehen hat.”
„Soll ich dir mal was sagen”, entgegnete ihm die Wirtin und trat noch dichter an den Tresen heran, um ihm über die Barriere hinweg zärtlich ins Ohr flüstern zu können: „Du bist ein ganz schöner Hosenscheißer.” Er erwiderte nichts.
Erich Altmann hatte seine Pflicht getan und den Firmen-Chef über das weitere Vorgehen verständigt. Nun würden sich die Steuerfahnder des Falles annehmen. Steinke hatte sich ziemlich frostig von Altmann verabschiedet und noch knapp gesagt: „Tun Sie, was Sie nicht lassen können – so macht ihr jegliches unternehmerische Engagement kaputt.” Insgeheim, das wusste der Betriebsprüfer aus Erfahrung, sann der Vorstandsvorsitzende des größten Computer-Unternehmens weit und breit auf Rache. Meist kannten diese Erfolgsmenschen einen einflussreichen Landespolitiker oder einen hochrangigen Beamten im Finanzministerium, von dem sie sich Hilfe versprachen. Ob dabei auch eine kleine finanzielle Zuwendung gewisse Türchen öffnete, vermochte Altmann nicht zu sagen. Das interessierte ihn auch nicht. Er jedenfalls tat alles, um Recht und Gesetz walten zu lassen. Nur reichte sein Arm halt nicht bis in die höchsten Etagen des Stuttgarter Ministeriums. Manchmal allerdings hat er sich schon gewundert, wie scheinbar große Fälle elegant und geräuschlos aus der Welt geschafft wurden. Öffentlich würde er sich dazu aber niemals äußern wollen.
Steinke war wortlos an seiner
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