Irrflug
der Erde entgegenzuschweben.
Der Kommissar sah, dass auch die zweite Cessna, die vor ihnen gelandet war, die Parkposition erreicht hatte. Aus der ersten war bereits eine Frau mit kurzen Hosen gestiegen und in Richtung auf die zweite Maschine gegangen.
„Wir bleiben kurz am Ende der Landebahn stehen”, erklärte Hauff, ehe er sich auf die Bodenberührung konzentrierte und die Maschine knapp über der Wiese immer langsamer werden ließ.
Seitlich konnte man die Platzreiter vorbeihuschen sehen. Als das Fahrgestell der betagten Cessna die Grasnarbe berührte, war es mit der Monotonie des Motorengeräuschs vorbei. Die Maschine begann zu schütteln und zu rütteln, ihr Fahrgestell gab jede Unebenheit an die Blechkonstruktion weiter. Hauff bremste nicht ab, sondern ließ die Maschine bewusst bis zum Ende der Landebahn ausrollen, um möglichst weit von den beiden Frauen entfernt zu sein. Er wollte vermeiden, dass Elvira Schneider das Flugzeug als eines von der Hahnweide erkannte.
Häberle entschied: „Am besten, Sie bleiben nachher im Flugzeug. Ich werd’ mal rauszukriegen versuchen, was die beiden Damen hier so treiben.” Schon beim Abflug hatten die beiden ihre Handy-Nummern ausgetauscht. Für alle Eventualitäten.
25
Vor dem Verwaltungsgebäude der ›Steinke-Network GmbH & Co. KG‹ im Göppinger Gewerbepark parkten mehrere weiße VW-Busse mit Stuttgarter Kennzeichen. Zwei Männer, mit Jeans und weißen Hemden bekleidet, standen eher zufällig und plaudernd zwischen den Fahrzeugen am Eingang. Drei Dutzend andere hatten sich in den Büros verteilt und gaben den wenigen Angestellten, die um diese Zeit am Freitagnachmittag noch anwesend waren, unmissverständlich zu verstehen, dass sie verpflichtet seien, Aktenordner und Computerdaten herauszugeben. Schon schleppten die ersten beiden Beamten einen Wäschekorb voller Ordner aus dem Gebäude und verstauten ihn in einem hohen Kastenwagen. EDV-Experten mühten sich an Computern ab, wichtige Finanzdaten auf Disketten zu kopieren. Dazu bedurfte es Passwörter, die die leitenden Angestellten nur widerwillig und unter Androhung von Bußgeldern preisgaben. Einige PCs, die in den Büros von Abteilungsleitern standen, wurden sogar komplett beschlagnahmt.
Steinke hatte eine halbe Stunde lang getobt und war jetzt so erschöpft, dass er in seinen Schreibtischsessel sank und sich seinem Schicksal hinzugeben schien. Seinen PC hatte einer der Beamten bereits mitgenommen. Rottler hatte sich unterdessen mit Anwalt Fellhauer beraten, der daraufhin mehrere Telefonate führte, jedoch am Freitagnachmittag Mühe hatte, kompetente Ansprechpartner im Finanzministerium zu finden. Letztlich machte er den zuständigen Staatsanwalt in Ulm aus.
Ob denn ein Haftbefehl gegen seinen Mandanten und dessen Finanz-Chef zu erwarten sei, wollte Fellhauer energisch wissen. Der Staatsanwalt legte sich nicht fest, sondern bestätigte nur, dass derzeit keine rechtliche Handhabe vorliege, die beiden Männer festzuhalten.
„Dann erwarte ich, dass sie sofort ihr Büro verlassen dürfen”, erklärte der Anwalt zwar ruhig und sachlich, jedoch mit bestimmendtem Unterton.
Der Staatsanwalt schien nichts dagegen zu haben, was Rottler und Steinke erleichtert zur Kenntnis nahmen. Allerdings, so gab der Rechtsanwalt den Gesprächsinhalt anschließend wider, müsse sichergestellt sein, dass sie keinen Zugriff auf Firmendaten hätten und keine Dokumente verschwinden lassen könnten. Im Amtsdeutsch war von Verdunklungsgefahr die Rede.
Nachdem auch Steuerfahnder Kienzle von den Aussagen des Staatsanwalts überzeugt war und zur Kenntnis nehmen musste, dass es gesetzwidrig wäre, die beiden Männer in ihrem Büro noch länger festzuhalten, deutete er mit einer Handbewegung an, sie sollten das Gebäude verlassen. Die Sekretärin und weitere Angestellte waren ebenfalls bereits gegangen – ohne zu wissen, ob sie am Montag überhaupt noch gebraucht wurden.
Kienzles Aufpasser begleitete die drei Männer aus dem Gebäude und erteilte seinen Kollegen am Eingang Anweisung, niemanden mehr hineinzulassen.
Steinke, Rottler und der Anwalt gingen zu ihren Fahrzeugen, die unweit des Eingangs geparkt waren. Sie setzten sich jedoch zunächst in Steinkes Mercedes, in dem es unerträglich heiß war. Trotzdem ließen sie die Scheiben geschlossen. Steinke startete den Motor, um die Klimaanlage anschalten zu können.
„Da haben wir die Scheiße”, stellte er dann fest und umklammerte das Lenkrad.
Rottler auf dem Beifahrersitz
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