Irrflug
noch die Adressen dreier weiterer Zeugen genannt, die mit ihm unterwegs waren und die das auch gesehen haben.” Häberle war platt. Er spürte jetzt sein nasses Hemd zwischen Rücken und Kunststofflehne. „Danke, Kollege, das haben Sie mir zum richtigen Zeitpunkt gesagt.”
„Noch was”, beeilte sich Linkohr, „die Hahnweide hat rausgekriegt, wohin unsere Kandidaten in den letzten zwei Jahren immer geflogen sind.”
„Super”, freute sich Häberle und verzog das Gesicht zu einem zufriedenen Lächeln.
„Halten Sie sich fest, Chef, die Elvira Schneider war seit Sommer 2001 insgesamt einundfünfzig Mal in Konstanz – und unser Rottler zweiundzwanzig Mal in Samedan, das ist im Engadin, in der Schweiz. Die anderen, der Hilgenrainer und der Mosbrucker, haben weitaus weniger Flugstunden absolviert und waren nur auf unterschiedlichen Flugplätzen im Bereich der Alb.”
„Danke, Kollege, das hört sich spannend an, genau zum richtigen Zeitpunkt.”
Häberle beendete das Gespräch und steckte das Handy wieder ins Hemdentäschchen. Hauff blickte ihn fragend von der Seite an, ohne etwas zu sagen. Häberle wollte ihn gerade vom Inhalt des Gesprächs informieren, als die beiden Damen wieder an der Tür des Towers auftauchten. „Aha, es tut sich was”, konstatierte der Kriminalist und öffnete die Tür, um aus der Bruthitze des Cockpits aussteigen zu können. „Ich ruf’ Sie an”, sagte er, „versuchen Sie, wenn irgendwie möglich, vorläufig außer Sichtweide zu bleiben.” Hauff nickte.
Die beiden Frauen entfernten sich ziemlich schnell in Richtung der Ausfahrt, die sich, von Häberle aus gesehen, auf der anderen Seite des Towers befand, wie er bereits beim Heranrollen hatte feststellen können. Während Häberle gewisse Mühe hatte, seinen fülligen Körper aus dem kleinen Cockpit zu zwängen, waren die Pilotinnen bereits ums Eck des Tower-Gebäudes verschwunden.
Der Kommissar nahm einen kurzen Spurt auf und erreichte schon nach knapp 20 Sekunden den Tower. Dort hielt er kurz inne, um vorsichtig um die Ecke zu linsen. Gleich hinter der Zufahrt führte die B33 vorbei, die Konstanz mit der Landzunge zwischen oberem und unterem See verbindet, aber auch mit der Insel Reichenau. Sein Blick ging rechts über den engen Parkplatz hinweg, der sich hinter der Baracke einer Flugschule befand. Dort erspähte er die beiden Frauen. Sie eilten zielstrebig an dem Gebäude entlang, über eine Grünfläche, hin zu einer asphaltierten Abstellfläche, auf der ein rückwärts eingeparkter Pkw-Kombi stand. Dessen bunte Aufschrift konnte er aber aus dieser Distanz nicht lesen. Der Kriminalist, von Sträuchern verdeckt, blieb kurz stehen und beobachtete die Szenerie. Die Bundesstraße, so stellte er fest, war ziemlich stark frequentiert.
Wahrend die beiden Frauen sich weiter entfernten, vorbei an einem großen gelben Schild, das die Richtung zur Autobahn nach Singen und auf einen Truck-Stop wies, schlenderte der Kriminalist hinter der Fliegerschule durch die Reihe der geparkten Fahrzeuge. Kurz bevor die observierten Damen den beschrifteten Pkw-Kombi erreichten, schienen sie sich zu trennen. Häberle erkannte sogleich, warum: Während die Blondine vorn rechts einstieg, öffnete Elvira Schneider die linke hintere Tür und nahm dort Platz.
Häberle schaute sich blitzschnell um, ob es ein Taxi gab. Nichts zu sehen. Wenn sich die Damen hier hatten abholen lassen, würde seine Mission bereits zu Ende sein, dachte er und musste sich eingestehen, dass er damit eigentlich nicht gerechnet hatte.
Er wartete darauf, dass der Motor startete. Doch dies schien nicht der Fall zu sein. Der Pkw-Kombi, vermutlich ein VW-Passat oder ein ähnliches Modell, bewegte sich nicht von der Stelle. Häberle überlegte. Es vergingen drei,vier Minuten. Als interessierte er sich für das Flugplatz-Gelände, näherte er sich langsam dem Ende der Baracke, von wo aus der westliche Teil der Landebahn eingesehen werden konnte. Da das Auto mit der Vorderseite zur Straße geparkt war, konnte er es wagen, sich wie ein Flieger-Fan am Flughafen-Zaun entlang heranzupirschen. Häberle hatte sich dazu durchgerungen, die Herrschaften in dem Pkw zur Rede zu Stellen. Das war besser, als sie womöglich wegfahren zu lassen. Hier würde er auf relativ einfache Weise diese Rothenburgerin zu Gesicht bekommen – und gleichzeitig erfahren, wer auf die beiden Damen gewartet hatte. Eine Liebesaffäre würde es wohl kaum sein, überlegte Häberle. Dann wären sie wohl kaum zu zweit
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