Irrflug
Telefon erfahren. „Das macht stutzig.” Er lehnte sich mit den Ellbogen an den Schreibtisch.
„Ja, die Jungs aus Schwäbisch Gmünd sind gleich mit drei Dutzend Mann angerückt”, berichtete sein Gegenüber weiter, „und das am Freitagnachmittag! Das will was heißen. Und wir müssen darauf achten, dass kein Unbefugter das Gebäude betritt. Als einige Kollegen hier erfahren haben, um welches Objekt es sich handelt, sind sie hellhörig geworden. Wir haben’s Ihrem Kollegen in Kirchheim ja bereits gesagt. Es ist dieser Steinke im Stauferpark droben. Offenbar seid ihr da doch auch schon tätig gewesen, wenn’s unsere Kollegen hier richtig mitgekriegt haben.”
„Und ob”, bestätigte Linkohr, „im Moment komm’ ich sogar von Steinkes Finanz-Chef. Der hockt in seiner Villa im ›Hailing‹ oben und spielt ›heile Welt‹.”
„Der hat Nerven!”, kommentierte sein Gesprächspartner, „vermutlich ein aalglatter Manager, hab’ ich Recht? Die bleiben cool bis zur letzten Sekunde. Dabei geht’s offenbar um verdammt viel, hab’ ich mir sagen lassen. Steuergeschichten in Millionenhöhe. Unsere Kollegen schleppen Waschkörbe voller Akten raus und beschlagnahmen ganze Computer. Wenn da die Presse davon Wind kriegt, geht was ab.”
Linkohr staunte. „Aber festgenommen wurde niemand?”, fragte er nach.
Der Mann hinterm Schreibtisch zuckte mit den Schultern. „Sieht momentan nicht danach aus. Ich weiß auch nicht, ob akute Fluchtgefahr besteht”, er machte eine Pause und fügte hinzu: „Und ihr bringt diesen Steinke also mit einem Mord in Verbindung?”
Linkohr schlug die Beine übereinander. „Den Steinke nicht, nein, allenfalls den Rottler, aber derzeit richtet sich der Verdacht eher gegen andere.”
Er bedankte sich bei dem Kollegen für den Hinweis und verließ das Göppinger Polizeigebäude wieder. Die Schatten waren zwar länger geworden, doch die Asphaltdecke des Parkplatzes schien zu kochen.
Inzwischen war Häberle mit dem Chef der Motorflugschule wieder auf der Hahnweide gelandet. Von seinem Handy aus beauftragte er seinen Kollegen Deutschländer von der Sonderkommission, Erkundigungen über besagten Emil einzuholen. Dazu bedurfte es der Mithilfe der Schweizer Behörden. Ob dies an einem Freitagabend noch möglich sein würde, daran hegte er insgeheim aber erhebliche Zweifel. Dann rief er seinen Kollegen Linkohr an, von dem ihm Deutschländer berichtet hatte, er sei gerade in Göppingen, um neue interessante Erkenntnisse zu gewinnen. Linkohr meldete sich und schlug seinem Chef vor, den Firmen-Boss Steinke noch einmal aufzusuchen, weil dieser und dessen Finanz-Chef in eine große Steuer-Affäre verwickelt zu sein schienen.
Häberle stimmte zu und versprach, in zwanzig Minuten in Göppingen zu sein.
Steinke, das hatte sich Linkohr von den Göppinger Kripo-Kollegen herausfinden lassen, wohnte ebenfalls im vornehmen ›Hailing‹, jedoch ein ganzes Stück von Rottler entfernt, viel weiter in Richtung des westlichen Stadtrands hinüber, in noch viel sonnigerer Lage. Die Steinkes hatten dort eines der altehrwürdigen Häuser gekauft, die noch aus der Gründerzeit stammten, jedoch immer wieder modernisiert worden waren. Hohe Fichten, dazwischen zwei alte Kastanien, prägten den Gartenpark, der von einem hölzernen Zaun umgeben war. Im rückwärtigen Teil grenzte das Grundstück an den Stauferwald. Von der Straße aus war das zweistöckige Gebäude mit seinem steilen Giebel kaum zu sehen. Linkohr parkte den Kripo-Mercedes am Rande der Wohnstraße. Häberle stieg als Erster aus und ging zu dem großen, mit Rundbogen verzierten Holztor. Dort gab es eine Klingel samt Sprechanlage und Videokamera.
„Ja?”, krächzte die Stimme Steinkes.
„Häberle, Kriminalpolizei, dürfen wir Sie kurz sprechen?”, meldete sich der Soko-Chef. Der Angesprochene murmelte etwas Unverständliches und drückte den elektrischen Türöffner. Er hatte die beiden Kriminalisten über die Videoanlage gesehen.
Häberle und Linkohr gingen auf einem langen Kiesweg, umsäumt von blühenden Stauden und im Schatten der großen Bäume, auf das Haus zu. Die Eingangstür befand sich auf der rechten Seite, von einem weit ausladenden und mit Säulen gestützten Überbau geschützt. Dort stand Steinke und erwartete die Besucher. Er hatte sich nach der Rückkehr von der Firma eine leichte, weiße Leinenhose und ein kurzärmliges Freizeithemd angezogen. Die nackten Füße steckten in Sandalen.
„Tut mir leid”, sagte
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