Irrflug
Ihnen, wie ich den Fall sehe: Sie decken einen Mörder.”
„Das lass’ ich mir nicht länger gefallen”, empörte sich der Schweizer, öffnete die Fahrertür und setzte sich hinters Steuer, „ihr zieht mich da in eine Sache hinein, mit der ich nichts zu tun haben will. Ich bin Schweizer Staatsbürger.”
Häberle hielt die Tür offen. „Nur eine Bitte: Dürfte ich um Ihre Personalien bitten?”
Der Schweizer starrte ihn ungläubig an. „Wozu soll das denn gut sein?”
„Nur für Rückfragen”, lächelte Häberle, „haben Sie Papiere dabei? Ausweis, Führerschein?”
Der Schweizer zögerte.
„Also?”, drängte der Kommissar, „oder soll’ ich meine Kollegen rufen?”
Der Schweizer griff ins Handschuhfach.
Elvira Schneider wollte es verhindern: „Lass’ das, Emil, verdammt noch mal. Das geht den Bullen doch nichts an.”
Häberle drehte sich gelassen zu ihr um und meinte ironisch: „Der Bulle braucht nur abzuschreiben, was hier am Auto dran steht – oder sich das Kennzeichen merken. Die Schweizer Kollegen leisten gerne Amtshilfe. Und in solchen Dingen vielleicht sogar mehr, als bei Steuerhinterziehung.”
Emil überreichte ihm widerwillig den Ausweis, von dem sich Häberle Namen und Daten auf ein Stück Papier abschrieb, das er aus der Hosentasche gekramt hatte. Unterdessen zeigten sich die beiden Frauen über das Vorgehen des Kriminalisten empört. Emil sagte nichts.
Häberle gab den Ausweis zurück und bedankte sich bei dem völlig irritierten Schweizer für dessen kooperative Haltung. Dann wandte sich der Kriminalist an die beiden Damen, die plötzlich verstummt waren: „Ich denke, es wäre an der Zeit, reinen Tisch zu machen”, er grinste, „das muss nicht hier auf der Straße sein. Sie wissen ja, wo Sie mich erreichen.” Und im Weggehen fügte er hinzu: „Tut mir leid, wenn ich Ihnen das Lustflügle versaut hab’. Denken Sie einfach darüber nach, was ich Ihnen gesagt habe”, Häberle ging in Richtung der Flugplatz-Zufahrt und rief locker zurück: „Kommen Sie gut heim.” Die Frauen sagten nichts.
Dem Kommissar rann der Schweiß in Perlen von der Stirn. Er erreichte den Tower, als ihm ein landendes Flugzeug auf der parallel zum Weg verlaufenden Piste entgegen kam. Mit einem kurzen Spurt, den er trotz der Hitze aufnahm, näherte sich Häberle der Hahnweide-Cessna, in der Hauff mit leicht geöffneter Seitentür saß. Offenbar hatte er es nicht gewagt, sich zu entfernen.
„Alles okay?”, fragte der Chef der Motorflugschule knapp. Häberle hob den Daumen der rechten Hand und ging zur anderen Seite, um sich wieder in das Cockpit zu quetschen. Unterdessen ließ Hauff den Motor an und teilte dem Flugleiter per Funk mit, dass sie wieder zur Hahnweide zurück wollten. Der Mann im Tower nannte die Startrichtung – und wenige Minuten später schwebten sie bereits über dem Schilf abseits der Insel Reichenau dem dunstigen Sommerhimmel entgegen.
„Da haut’s dir’s Blech weg”, hatte Linkohr wieder mal eher zu sich selbst gesagt, als er den Polo über die Wohnstraßen des vornehmen Göppinger ›Hailings‹ in Richtung der Stadt steuerte. Er war nach der Vernehmung von Rottler auf dem Weg zu den Kollegen der Göppinger Polizeidirektion. Sie hatten eine brisante Meldung an die Sonderkommission weitergegeben und erfahren, dass Linkohr ohnehin gerade in Göppingen sei. Deutschländer hatte ihn daraufhin angerufen und ihm vorgeschlagen, bei den dortigen Kollegen vorbeizuschauen.
Dass er im Treppenhaus dem obersten Kripo-Chef Bruhn begegnete, war Linkohr für einen kurzen Moment unangenehm. Bruhns autoritäre Art war gefürchtet, schon gar von den jüngeren Kollegen. Der Mann mit dem schmalen Haarkranz um den glänzenden Glatzkopf erwiderte auch nur knapp den Gruß und fragte nicht danach, wie es der Sonderkommission in Kirchheim ging. Das würde Bruhn nur mit den höheren Diensträngen besprechen, nicht aber mit einem kleinen Jung-Kriminalisten.
Linkohr wusste das und war eigentlich froh darüber. So konnte er ohne große Umschweife in die Büros seiner Kollegen gelangen, die bereits auf ihn warteten. Nach der üblichen, von Frotzeleien begleiteten Begrüßung, bot ihm ein älterer Kollege einen hölzernen Stuhl an. Linkohr setzte sich vor den Schreibtisch und ließ sich schildern, worum es ging.
„Wir sind um Amtshilfe gebeten worden”, sagte einer der Kriminalisten, „eine große Durchsuchungsaktion der Kollegen von der Steuerfahndung.”
Linkohr hatte dies schon am
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