Irrliebe
Tod. Sein Auto ist ebenfalls weg. Niemand hat eine Ahnung, wo er sein könnte.«
»Und was hat das mit Franziska zu tun?«, fragte Stephan.
»Dominique hat in der Dortmunder Wohnung einen Brief von ihm gefunden, in dem er ihr mitteilt, so nicht mehr weiterleben zu können. Er habe ihr – Dominique –, aber mehr noch einem anderen Menschen, Unverzeihliches angetan.«
»Und dieser andere Mensch soll Franziska sein«, folgerte Stephan.
»Vielleicht«, gab Marie knapp zurück. »Denn immerhin hat Dominique, als sie nach Auffinden des Briefes fast panikartig die Wohnung durchsucht und festgestellt hatte, dass ihr Mann außer der Kleidung, die er am Leibe trug, offensichtlich nichts mitgenommen hatte, auch den Ausdruck eines Briefes gefunden, der an die Chiffrenummer 0829 der Kult-Mund-Redaktion gerichtet war.«
»Und?«, fragte Stephan ungeduldig.
»In diesem Brief – Dominique hat ihn mir teilweise vorgelesen – setzt sich der Mann mit Franziska auseinander, mit der er offensichtlich zunächst ein Verhältnis und mit der er dann wieder gebrochen hatte. Franziska scheint sich damit nicht abgefunden zu haben. Es muss zu harten Auseinandersetzungen gekommen sein, ohne dass Franziska nachgab. Sie wollte diesen Mann unbedingt halten, er aber wollte sich von ihr lösen. Seine Worte hörten sich so an, als habe er versucht, Franziska zur Raison zu bringen.« Marie hob fragend die Schultern. »Mehr weiß ich bislang auch nicht.«
»Du weißt, dass du all dies Ylberi mitteilen musst«, sagte Stephan.
Marie nickte. »Heute Morgen werde ich zu ihm gehen – mit Frau Rühl-Brossard. Sie hält sich derzeit hier auf.«
»Warum mit ihr gemeinsam?«
Marie sah Stephan verständnislos an.
»Warum wohl? Weil wir nur zusammen erklären können, wie wir zueinander Kontakt gefunden haben. Weil über die Chiffrenummer 0829 das Schicksal von Franziska mit einem Schicksal verbunden wird. Weil zwei für sich unerklärliche Ereignisse zusammengefügt ein Drama andeuten …« Sie schnappte nach Luft.
»Ich will dir nichts«, besänftigte Stephan. »Ich merke nur, dass du dich ganz schnell auf eine Frau einlässt, die du doch gar nicht kennst. Lass dich nicht einbinden«, mahnte Stephan, »all dies sind Franziskas Schatten, und du tust dir keinen Gefallen, wenn du dich weiter in die Sache vertiefst.«
»Franziska ist keine Sache«, gab Marie barsch zurück. »Und Frau Rühl-Brossard ist, wie es aussieht, eine Frau, die von ihrem Mann betrogen worden ist, der möglicherweise etwas mit Franziskas Tod zu tun hat. Für diese Frau ist das alles doppelt schlimm und beschämend.«
Stephan nickte. »Natürlich, das verstehe ich. Und warum Paris?«
»Weil sie mich eingeladen hat, mehr von ihr und ihrem Mann, vielleicht darüber auch über Franziska zu erfahren. In gewisser Weise sind wir beide benutzt worden, Frau Rühl-Brossard von ihrem Mann, der sie gehörnt hat, und ich von Franziska, die mich als Poststelle benutzt und mich in eine Geschichte hineingezogen hat, deren Hintergründe ich begreifen muss.«
»Aber im Unterschied zu Frau Rühl-Brossard hast du dich freiwillig in diese Situation begeben«, gab Stephan zu bedenken. »Muss Paris wirklich sein?«
Marie antwortete nicht.
»Du bist enttäuscht«, vermutete Stephan. »Und ich kann dich auch ein Stück weit verstehen. Aber es ist nicht deine Art, dich auf einen wildfremden Menschen einzulassen, von dem du auch nicht weißt, wie er in die Geschichte verwickelt ist.«
»Ich muss alles für mich klären«, meinte Marie. Sie lächelte unvermittelt. »Dass dir meine dreieinhalb Tage Paris Sorgenfalten auf die Stirn treiben, gefällt mir fast. – Ich fahre Freitagnachmittag und bin am Montagabend wieder da. Montags habe ich keine Schule. Passt also prima. Die Wohnung in Paris ist groß. Frau Rühl-Brossard sagt, dass sie und ihr Mann häufig Gäste dort haben.«
Marie löste sich, stand auf und fasste Stephan an die Schulter.
»Du und ich müssen an uns und für uns arbeiten, und ich muss auch Franziska verarbeiten«, schloss sie und merkte, dass sie theorisierte. »Ein Stück Verantwortung für Franziska ist geblieben – und es ist eine Verantwortung, die ich angenommen habe. Ich bin schließlich nicht ihr Opfer gewesen.«
Marie fühlte sich unverstanden, und Stephan sagte nichts.
Marie verließ am frühen Dienstagmorgen das Haus. Sie hatte sich mit Dominique Rühl-Brossard in einem Café direkt vor dem Gebäude der Staatsanwaltschaft verabredet, um Bekim Ylberi über die
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