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Irrliebe

Irrliebe

Titel: Irrliebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Erfmeyer
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schwarzen Haar verspielt funkelnden Regentropfen fast mädchenhaft erschien. Frau Rühl-Brossard saß eigentümlich starr, fast soldatisch auf ihrem Stuhl.
    Stephan hieß Frau Rühl-Brossard nochmals willkommen. Er tat es mit der einladenden, aber nicht überschwänglichen Geste, mit der er Mandanten zu empfangen pflegte und regelmäßig die Schwelle der Fremdheit zu beseitigen vermochte, die den Klienten hemmte, sein Anliegen entspannter vorzutragen.
     
    Frau Rühl-Brossard musterte Stephan, als Marie über den Besuch bei Ylberi zu berichten begann. Marie schilderte, wer von beiden was erzählt und welche Fragen Ylberi gestellt hatte. Frau Rühl-Brossard verfolgte Maries Schilderungen ohne Einwürfe oder Ergänzungen. Als Marie geendet hatte, blieb sie stumm, beugte sich zur Seite und griff in ihre über die Stuhllehne hängende Handtasche und fingerte eine Zigarettenschachtel heraus.
    »Hier etwa nicht?«, fragte sie rhetorisch und blickte Stephan misslaunig lauernd an, als sie bereits eine Zigarette in den Händen hielt.
    »Wenn es Ihnen nichts ausmacht …«, antwortete Stephan höflich.
    »Also non«, beschied sie, steckte die Schachtel wieder in die Tasche, schlug die Beine übereinander und blickte unverwandt auf die Leuchtstoffröhren an der Zimmerdecke, während sie konzentriert Maries Worten folgte. Das Deckenlicht spiegelte sich blitzend in ihren Brillengläsern.
    »Nachdem Ylberi die Briefe gelesen hatte, also denjenigen von Pierre Brossard an seine Frau und seinen Brief an 0829, hat er sich eingehend nach dem Zustand der Ehe zwischen Pierre und Dominique erkundigt«, berichtete Marie von dem Treffen mit dem Staatsanwalt.
    »Was soll er auch sonst fragen?«, warf Dominique ein. »Er hat ja recht.« Sie nahm den Blick nicht von der Decke. »Du stellst dich an wie ein Dummerchen, Marie!«
    Stephan fragte sich, warum Marie Frau Rühl-Brossard überhaupt in die Kanzlei mitgebracht hatte.
    »Gab es denn, sagen wir, tiefgehendere Probleme in der Ehe?«, forschte er.
    »Wo gibt es die nicht, Herr Rechtsanwalt?«, fragte sie gelangweilt zurück. »Oder könnten Sie die entsprechenden Fragen stets verneinen? – Man lebt sich halt auseinander. D’accord ?«
    Stephan schüttelte den Kopf. Die Architektin schien sich darin zu gefallen, französische Vokabeln einfließen zu lassen, obwohl sie Deutsche war und die Begründung des zweiten Wohnsitzes in Paris aus ihr keine Französin machen konnte. Marie lächelte bemüht und gleichermaßen hilflos.
    »Es ist naturgemäß schwer, so unvermittelt erfahren zu müssen, dass der eigene Mann ein Doppelleben geführt hat«, sagte Marie behutsam. »Denn äußerlich – Dominique, korrigiere mich, wenn ich es falsch wiedergebe – gab es keine Anzeichen, dass sich dein Mann mit einer oder vielleicht auch mehreren anderen Frauen traf.«
    Dominique schwieg und bestätigte auf diese Weise umso nachdrücklicher, dass Schauspiel und Wirklichkeit in ihrer Ehe auseinanderfielen. Sie war unwillig, sich ein zweites Mal zu offenbaren, wollte nicht wiederholen, was sie Ylberi bereits berichtet hatte.
    »Man wird jetzt nicht nur nach Pierre fahnden, sondern konkret auch nach seinen Spuren am Tatort«, half Marie und bemühte sich um eine abschließende Zusammenfassung, als habe sie erkannt, dass das holprige Gespräch nicht mehr in Gang kommen würde, zumal sie Stephans Abneigung gegen Frau Rühl-Brossard bemerkt hatte und fürchtete, dass er seinem Empfinden durch unverhohlene Gesten und Worte Ausdruck verleihen könnte.
     
    Als Marie mit Frau Rühl-Brossard die Kanzlei verlassen hatte, ging Stephan zu Hubert Löffke in dessen Büro, Zimmer 104. Der Rivale thronte in seinem neuen Chefsessel, dessen Rückenlehne breiter und höher war als diejenige seines bisherigen Sessels und seinen fülligen Oberkörper noch machtvoller vor dem schwarzglänzenden ledernen Hintergrund präsentierte.
    »Geben Sie mir ein paar Hinweise zum Charakter von Frau Rühl-Brossard!«, forderte Stephan. »Bitte, fragen Sie mich jetzt nicht nach dem Warum. Ich brauche nur ein paar Stichworte, um mir von dieser Frau ein Bild machen zu können.«
    Löffke blickte Stephan misstrauisch an. Die Aussicht, dass Frau Rühl-Brossard Knobels Mandantin werden und dessen Kanzlei mit saftigen Honoraren speisen würde, traf und positionierte ihn gegen Frau Rühl-Brossard, vor der er sich eben noch ehrerbietig verneigt hatte.
    Löffke lehnte sich behäbig zurück, schaukelte in seinem Sessel und faltete die Hände über seiner

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