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Irrliebe

Irrliebe

Titel: Irrliebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Erfmeyer
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ausgezeichneten Werke eben nicht in Mailand, New York oder München wirkte, sondern scheinbar bodenständig in Dortmund blieb. All dies wussten Marie und Stephan nicht von vornherein, und sie verbanden auch nichts mit dem Namen Dominique Rühl-Brossard, als Marie ihren Namen unter der von Alexander Hilbig ausgehändigten Chiffrezuschrift las. Frau Rühl-Brossard war eher in der Fachwelt ein Begriff. Gesellschaftlich trat sie kaum auf. Sie widerstand den wiederholten Einladungen der Stadtoberen, die mit ihrer Anwesenheit gern Feste und andere Veranstaltungen schmücken wollten, denen sie in gewisser Weise Glanz und auch Internationalität verleihen und zu dem zuweilen beschränkt wirkenden Regionaldenken einen willkommenen Gegenpol setzen würde. Dominique lebte in ihrem Haus und in der Architekturszene üppig und aristokratisch, gab sich in der Fachwelt manchmal launisch und brüskierte mit egozentrischen Entwürfen und Kritiken, war dann wieder scheinbar zahm und gutwillig. Ihre Unberechenbarkeit war bekannt und gefürchtet. Ihr gelang wie etlichen anderen, deren glanzvolle Karriere unzweifelhaftem Können und gewisser Genialität entsprang, diesen Makel zum Markenzeichen zu erheben. Sie selbst bezeichnete sich als Enfant terrible der Architekturszene und verankerte diesen Begriff in der Fachwelt als ihr Gütesiegel, das ihre Werke deshalb umso interessanter erscheinen ließ. Privat war über Dominique wenig bekannt. Ihre vor Jahren geschlossene Ehe mit dem acht Jahre jüngeren Pierre war nach außen unauffällig. Das Paar lebte abwechselnd in Dortmund und Paris. Beide hatten jeweils eine gescheiterte Ehe hinter sich, bevor sie sich zufällig anlässlich einer Besprechung auf einer Großbaustelle für ein Geschäftshaus in Frankfurt trafen, die Pierre als kaufmännischer Leiter der bauausführenden Firma und Dominique als Architektin betreute. Kinder hatten sie nicht, weder aus ihrer ersten Ehe noch aus ihrer gemeinsamen, und Marie gewann den Eindruck, dass Kinder in die noble Wohnung der Eheleute Rühl-Brossard nicht passen würden.
    »Du bist mit ihr per Du«, staunte Stephan und schenkte beiden Rotwein nach.
    »Sie hat mir das Du sofort angeboten. Was sollte ich machen?« Es klang entschuldigend.
    »Macht sie das immer so?«, fragte er misstrauisch.
    Marie hob die Schultern. »Ich glaube schon. Als ich vorhin bei ihr war, kam kurz eine Mitarbeiterin von ihr vorbei. Eine junge Frau, etwa in meinem Alter. Auch die beiden duzten sich.«
    »Eigenartig«, fand Stephan. »Löffke kennt sie übrigens. Sie war früher Mandantin von Hübenthal.«
    »Ich weiß, sie hat es mir erzählt«, sagte Marie. »Aber Hübenthals Kanzlei gefiel ihr nicht. Die Bearbeitung ihrer Sachen dauerte zu lange. Außerdem sei sie von Hübenthal nicht immer persönlich betreut worden. Er hätte den einen oder anderen Fall an andere abgegeben, auch an Löffke. Er ist ihr zu dumm und zu bäuerlich. Sie nennt ihn einen provinziellen Cretin.«
    Stephan lachte. »Er nennt sie im Gegenzug die Gräfin.«
    »Nicht unpassend«, fand Marie schmunzelnd.
    »Warum hast du sie vorhin in die Kanzlei mitgebracht? Und mehr noch: Wie hast du es überhaupt geschafft, diese große Dame mitzubringen? Es musste ihr doch zuwider sein, überhaupt Zeit zu opfern und dann auch noch in ein Gebäude zu kommen, in der sich die Kanzlei befindet, der sie den Rücken gekehrt hat.«
    »Sie wusste ja, dass du nicht mehr Teil der Kanzlei Hübenthal bist. Das hatte ich ihr erzählt. Ich glaube, das hat ihr gefallen. Wahrscheinlich ist sie schon deshalb mitgekommen, weil sie dort demonstrieren konnte, dass sie eben nicht mehr zu Löffke & Co. geht, sondern zu dir. Und was Letzteres angeht: Sie braucht Hilfe, denn sie steht allein da. Dominique mag ihre Lakaien um sich haben, die sie letztlich auch in diesem Sinne erzieht. Aber sie steht jetzt vor einem Problem, das sie und ihr Ansehen erheblich beschädigen kann. Ihr Mann hat ein Verhältnis mit einer Frau begonnen, mit deren Tod er möglicherweise etwas zu tun hat. Sie steckt in gewisser Weise mit drin. Solche Geschichten schmücken auch keinen Paradiesvogel wie Dominique. So etwas kann sie erledigen. Sie tut mir in gewisser Weise leid.«
    »Warum Paris?«, fragte Stephan wieder. »Ich würde mich von Menschen wie Dominique fernhalten. Sie ist ein Mensch, der andere wie ein Schwamm aufsaugt.«
    »Sie will Licht in das Dunkel im Leben ihres Mannes bringen«, war Marie überzeugt. »Ylberi nahm heute Morgen nur geschäftsmäßig die

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