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Irrliebe

Irrliebe

Titel: Irrliebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Erfmeyer
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konzentrierte sich auf ihr Spiel.
     
    Marie zog sich zurück, ohne ihr eine gute Nacht zu wünschen. Als sie in ihr Zimmer ging, sah sie durch die geöffnete Tür in Dominiques Schlafzimmer. Auf dem Nachttisch standen um die Madonnenstatue herum fünf brennende Kerzen. Im zitternden Schein der Flammen wirkte das Gesicht der Madonna wie eine dämonische Fratze. Marie schob die Tür ihres Zimmers von innen bis zum Anschlag zu. Sie stellte ihren Rollkoffer als Barrikade innen vor die Tür, kauerte sich in das Bett und löschte das Licht. Irgendwann in der Nacht wachte Marie auf. Sie musste zur Toilette, sah auf die Uhr und wusste, dass sie nicht bis zum Morgen warten konnte. Sie stand auf, bewegte leise den Rollkoffer zur Seite und schob die Tür behutsam auf, tastete sich auf bloßen Füßen durch das Wohnzimmer an der Küchenzeile entlang zu der kleinen Toilette, die als enger Verschlag, getrennt vom Bad, zwischen Wohnbereich und Flur gezwängt war. Sie setzte sich auf den Toilettentopf und konnte nicht urinieren. Die Stille in der Wohnung war unheimlich. Sie hatte keinen Ton gehört, als sie sich zur Toilette schlich, nicht einmal Dominiques Schnarchen, das sonst eine irgendwie beruhigende Normalität vermittelte. Der Regen hatte aufgehört und spendete kein pulsierendes schützendes Prasseln mehr. Marie war, als werde jeder Atemzug von ihr belauscht. Ihr Körper sperrte sich. Sie konzentrierte sich, versuchte sich gedanklich abzulenken, versagte und sammelte sich erneut. Das leise Geräusch durchfuhr sie wie ein Schmerz. Es war ein Kratzen an der Tür, scharf und schneidend. Marie sah unwillkürlich auf den altmodischen Riegel, den sie zum Verschließen der Tür umgelegt hatte. Durch den Türspalt am Boden zwängte sich eine Pfote hindurch und spreizte langsam die Zehen. Die Krallen traten spitz hervor und zogen sich lautlos wieder zurück.
     
     

10
    Marie wachte unruhig am frühen Morgen auf, wusch sich und bereitete ihre Abreise vor. Dort, wo Marie am letzten Abend gesessen hatte, lag auf dem großen Tisch eine Packung Pralinen, darunter ein Zettel mit den Worten ›Danke – und bon voyage. Dominique‹. Am anderen Ende des Tisches stand aufgeklappt der Laptop. Der Bildschirmschoner trieb kleine Vögel über das Display. Daneben stand eine leere Flasche Schnaps und der mit ausgedrückten Kippen gefüllte Aschenbecher.
    Marie sah zu Dominiques Schlafzimmertür. Sie stand halb offen, wie immer. Dominique schlief tief und fest. Sie schnarchte ungleichmäßig. Die Kerzen um die Madonnenstatue waren erloschen. Marie zog sich leise zurück, nahm die Pralinen, verstaute sie in ihrem Koffer und zog die Tür leise hinter sich zu, als sie die Wohnung verlassen hatte. Sie stand wieder im Hellen auf der das Haus umschließenden Balustrade. Die Morgensonne stach rot durch den Dunst. Marie blickte auf schmucklose Hochhäuser, in deren Fenster sich die aufgehende Sonne funkelnd spiegelte. Aus den Häuserschluchten quollen dumpf die Geräusche des Autoverkehrs. Es war Sonntag – und dennoch kein Tag der Ruhe. Marie zog den Koffer über die Holzplanken. Vor dem Aufzug saß Minouche und leckte sich. Das Tier beäugte Marie aus schmalen Pupillen. Es schien nie in Dominiques Schlafzimmer zu gehen.
    Marie verbrachte die Zeit bis zur Abfahrt im McDonald’s-Restaurant am Gare du Nord. Als der Zug Paris verlassen und die Schnellstrecke erreicht hatte, kam ihr die Idee, dass man den ohnehin erforderlichen Umstieg in Köln zu einem Umweg nutzen könnte. Sie rief Stephan an. Er sollte sie in Köln mit dem Auto abholen.
     
    Zwei Stunden nach Maries Ankunft in Köln saßen beide im Hotel-Restaurant Moselgold oberhalb von Traben-Trarbach. Die Mosel zog träge glitzernd unterhalb der Veranda im Tal vorbei und wand sich in einer Schleife um die dicht aneinandergedrängten Häuser des Weinortes. Stephan hatte im Anschluss an Maries Anruf nach längerem Suchen in ihrem alten Schulatlas das Foto von der Abiturabschlussfeier gefunden, das Marie und Franziska zeigte.
    Sie legten das Bild dem Hotelier vor, als er die bestellten Getränke an den Tisch brachte. Marie zeigte ihm dazu die von Franziska geschriebene Postkarte. Sie saßen in einem einfach eingerichteten Anbau des Restaurants. Die schlichten Holzstühle und -tische, die wuchtigen schmiedeeisernen Kerzenständer und die bauchigen Krüge auf den Zierregalen waren die biederen Attribute des Lokals.
    »Sie ist vor rund anderthalb Wochen tödlich verunglückt«, erklärte Marie. »Und wir

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