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Irrliebe

Irrliebe

Titel: Irrliebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Erfmeyer
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nämlich später Abend, somit Dunkelheit und naturgemäß kein oder allenfalls wenige Zeugen, gut ausgesucht. Aber das allein reichte nicht. Es bedurfte noch des Starkregens, um auch den Lokführer als Zeugen für den Tathergang auszuschließen. Wenn Sie mal über dieses Gleis in die Gegenrichtung, also Richtung Hamm schauen …«, Ylberi drehte sich in die beschriebene Richtung, streckte seinen linken Arm aus und wies mit der Hand in die Ferne, »dann sehen Sie, dass das Gleis eine leichte Krümmung nach rechts beschreibt. Der Führer eines aus Richtung Hamm kommenden Zuges, der nicht in Kurl halten wird, hat von dem Zeitpunkt an, an dem er erstmals die gesamte Bahnsteigkante mit den eigenen Augen erfassen kann, bis zu diesem Punkt, an dem wir jetzt stehen, maximal 15 Sekunden Zeit. Ist es dunkel, ohne dass es regnet, kann der Lokführer erkennen, ob eine Person oder ein größerer Gegenstand bereits im Gleis liegt oder dorthin gestoßen wird. Er würde darüber hinaus eine Zwangsbremsung einleiten können, die zwar den Zug bis hierhin nicht zum Stillstand brächte, aber der verunglückten Person einige Sekunden schenkt, um sich vielleicht noch aus dem Gleis retten zu können. Daraus schließen wir zweierlei: Wenn es sich nicht um einen Zufall handelt, dann waren sowohl der Tatort, nämlich genau diese Stelle am Ende der westlichen Zugangstreppe, als auch die äußeren Begleitumstände, nämlich Dunkelheit und starker Regen, unabdingbare Voraussetzungen, um die Tat in der geschehenen Weise durchzuführen und sicherzustellen, dass der Anschlag klappt. Die Dunkelheit war insoweit natürlich das kleinste Problem. Franziska hatte häufig Spätschicht, die in dieser Jahreszeit zwangsläufig in der Dunkelheit endet. Die Begehung der Tat an dieser konkreten Stelle war schon bedeutend schwieriger, denn das setzt voraus, dass Franziska sich gerade auch an dieser Stelle befand, als sich der Zug näherte. Nun mögen einige Menschen die Gewohnheit haben, bei ihren Berufspendlerfahrten immer an ein- und derselben Stelle am Bahnsteig zu warten. Ob dies bei Franziska Bellgardt der Fall war, können wir nicht feststellen. Aber es spricht alles dafür, dass sie nicht von sich aus an diesem Ort wartete, weil alle Nischen, die die unseligen Betonbauten auf diesem Bahnsteig haben, unheimlich und uneinsehbar sind. Zumal als Frau wird man dort nicht freiwillig warten, und unsere Beobachtungen an den vergangenen Abenden haben bestätigt, dass sich keiner der Wartenden, seien es Männer oder Frauen, im Wartehäuschen oder im Schutz dieser überdachten dunklen Treppenaufgänge aufgehalten hat. Alle warten lieber im Licht der Bahnsteiglampen. Nun werden Sie einwenden, dass es am Tattag stark geregnet hat. Da hält man sich natürlich eher in den witterungsgeschützten Bereichen auf, selbst wenn sie einem sonst unheimlich sind. Franziska könnte sich also hier aufgehalten haben, weil sie sich unterstellen wollte. Aber das schließen wir aus. Nach Mitteilung des Wetteramtes herrschte zur Tatzeit ein von Westen nach Osten treibender Starkregen. Also wäre Franziska gerade an dieser Seite der Treppenaufgänge nass geworden. Warum hat sie nicht auf der Ostseite gewartet? Sie wird doch nicht einen Ort verlassen haben, an dem sie geschützt stand, um sich einem Zug zu nähern, der hier gar nicht hielt. Der Zug, von dem sie erfasst wurde, fuhr bekanntlich durch, was Franziska gewusst haben dürfte, weil sie oft um diese Uhrzeit fuhr und unterstellt werden kann, dass sie den Fahrplan der Züge kannte. Also wusste sie auch, dass vor der Ankunft ihres hier haltenden Zuges ein vorausfahrender Zug planmäßig mit hoher Geschwindigkeit den Bahnhof passierte. Folglich stellen wir uns die Frage: Warum stand sie am fraglichen Abend genau an dieser Stelle? Warum auf der Westseite, auf der sie sich dem Regen aussetzte? Und unsere Antwort lautet: Sie ging nicht von allein dorthin, sondern war in Begleitung einer anderen, ihr vermutlich bekannten Person, die sie, wie auch immer, dorthin locken konnte. – Kommen wir zu dem Starkregen. Er war für die konkrete Tatausführung unabdingbar. Ich habe es eben erklärt. Ein normaler Regen wie am heutigen Abend hindert die Sicht des Lokführers nicht sonderlich. Das schaffen die Scheibenwischer. Wenn es also kein Zufall war, dann spricht viel dafür, dass der Täter oder die Täterin nicht nur am Tatabend, sondern häufiger an dieser Stelle war, um den geeigneten Zeitpunkt, nämlich jenen, in dem es stark regnete,

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