Irrliebe
Rückeroberung der mit Dominique Rühl-Brossard verbundenen streitwertträchtigen zivilrechtlichen Mandate ging, hatte sich schnaubend ergeben und sich mit Ylberi darauf verständigt, dass er sich bei der Vernehmung zurückhalten werde und nur dann eingreifen wolle, wenn er die Befürchtung habe, dass sich Dominique mit der Beantwortung einer Frage selbst des Verdachts aussetze, eine Straftat begangen zu haben. Ylberi verschwieg, dass er diesen Verdacht längst hatte und die Vernehmung nur aus dem Grunde durchführen wollte, um Hintergrundwissen zu erlangen, das die sich in seinem Kopf ausprägende Geschichte abrunden könnte. Löffke fühlte sich in der Absprache mit Ylberi ernst genommen und nahm seine bereits erhobene Dienstaufsichtsbeschwerde, die außer Ylberi noch niemand in der Behörde gelesen hatte, mit großherziger Formulierung zurück.
Der Staatsanwalt empfing Frau Rühl-Brossard und Löffke in seinem kleinen Büro. Löffke beeilte sich eingangs zu erwähnen, dass er in einem solchen Zimmer viele Stunden seines Referendariats verbracht hatte, als er einem Staatsanwalt zuarbeiten musste, der sein Dasein mit der Bearbeitung von Bagatelldelikten fristete.
Ylberi überging lächelnd Löffkes Anwurf, den er als Gestaltungselement der Hubert Löffke eigenen und für seine Mandantin bestimmten Darstellungskunst zu deuten wusste. Er bat beide, Platz zu nehmen, und schenkte Kaffee ein.
Löffke öffnete umständlich seinen dickbauchigen Aktenkoffer, entnahm diesem eine dicke rote Gesetzessammlung und zwei grau eingebundene Kommentare zum Strafgesetzbuch und zum Strafprozessrecht, die er wie eine kleine Mauer vor sich auf dem Schreibtisch platzierte. Dann zückte er einen Block und einen Kugelschreiber, brachte sich in Stellung und sah Ylberi erwartungsvoll an.
Ylberi vergewisserte sich zunächst, ob die von Frau Rühl-Brossard bisher aufgenommenen Personalien zutreffend waren, dann stieg er in den Fall ein.
»Ich werde einige präzise Fragen stellen, Frau Rühl-Brossard, und ich bitte Sie, mir ebenso präzise zu antworten. Sie brauchen keine Angaben zu machen, soweit Sie sich damit selbst oder Ihren Ehemann belasten würden«, belehrte der Staatsanwalt. »Ich denke, Sie haben sich insoweit mit Ihrem Anwalt beraten, der überdies darauf achten wird, dass Ihre Rechte hier gewahrt werden.«
»Auf jeden Fall«, polterte Löffke pflichtbewusst und lehnte sich behäbig zurück.
»Darf ich zunächst fragen, warum Sie selbst nun auf einen schnellen Termin gedrängt haben, nachdem ich zuerst den Eindruck hatte, dass Ihnen damit nicht sehr eilig war?«
Frau Rühl-Brossard trug ein graues Strickkleid, das sie über ihren übereinandergeschlagenen Beinen glatt strich. Sie wirkte angespannt und sah Löffke unsicher an.
»Frau Antje Swoboda, das ist eine junge Architektin, die für meine Mandantin arbeitet, hat Frau Rühl-Brossard darüber informiert, dass gestern früh, etwa gegen acht Uhr, ein Mann an sie herangetreten sei, der in aggressiver Art und Weise Frau Rühl-Brossard zu sprechen wünschte. Zu dieser Zeit war sonst noch niemand im Büro, auch meine Mandantin nicht, die noch im Wohnbereich weilte. Dieser Mann behauptete, in den letzten Tagen bereits mehrfach versucht zu haben, mit Frau Rühl-Brossard in Kontakt zu treten, und er kündigte wörtlich an, rabiater zu werden, wenn ihm dies nicht endlich gelinge. Als Frau Swoboda meiner Mandantin hiervon berichtete, hat sie ihre Mitarbeiterin zu beruhigen versucht, aber diese hat gesagt, dass sie den Vorfall der Polizei melden werde, wenn Frau Rühl-Brossard das nicht selbst tue. Der Mann muss Frau Swoboda sehr eingeschüchtert haben. Das nehmen wir natürlich sehr ernst. Deshalb habe ich Sie gestern angerufen und um einen baldigen Termin gebeten. Es kam uns also recht, dass Sie die Anhörung am heutigen Tage angesetzt haben.«
Löffke lehnte sich zurück und vergewisserte sich mit einem Seitenblick, dass die Mandantin seine Schilderung billigte. Dominique nickte zustimmend.
»Und? Hat dieser Mann in den letzten Tagen mehrfach vergeblich versucht, Sie zu erreichen?«, fragte Ylberi.
»Non!«, antwortete Dominique entschieden. »Ich weiß nicht, wer er ist und was er will.«
»Wie hat Frau Swoboda ihn beschrieben?«, fragte Ylberi weiter.
»Ich weiß nicht, sie hat es mir nicht gesagt«, antwortete Dominique.
»Frau Swoboda war sehr erschrocken«, erläuterte Löffke. »Das kann ich bestätigen. Ich habe vorhin noch mit ihr gesprochen. Sie konnte nur wenig
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