Irrliebe
bekräftigte sie ungeduldig.
»Warum haben Sie sich nicht scheiden lassen?«, fragte Ylberi weiter.
»Warum sollten wir? Wir hatten vor seiner dunklen Phase durchaus gute Zeiten. Vielleicht wäre irgendwann wieder alles besser geworden. So, wie es früher war. Man muss einander nur lassen können. Wir brauchten keine himmlischen Sphären.«
»Haben Sie Pierre nicht geraten, in seinem Zustand einen Arzt zu konsultieren? Nach Ihrer Schilderung sieht es doch so aus, dass Ihr Mann psychisch erkrankt sein könnte.«
»Er wollte keinen«, erwiderte sie knapp. »Ich kann ihn nicht zwingen.«
»Wir haben zwar keine Menschen finden können, die mit Ihrem Mann näheren Kontakt gepflegt haben, weil er so sehr zurückgezogen lebte, aber diejenigen, die mit ihm verkehrten, wussten von keinen Auffälligkeiten zu berichten«, sagte Ylberi. »Er war nach Eindruck dieser Beobachter wie immer: Etwas verschlossen, aber durchaus nicht der Dunkelheit verfallen, von der Sie sprechen, Frau Rühl-Brossard. Wie erklären Sie sich das?« Ylberi hatte seine Frage wie beiläufig formuliert. Er mied es, Dominique direkt anzusehen.
»Er wird schauspielern«, mutmaßte sie. »Kranke können das bestimmt über einen gewissen Zeitraum hinweg. Draußen tragen sie eine Maske und zu Hause brechen sie zusammen«, meinte sie. »So etwas weiß jeder.«
»Ich nicht«, bekannte Ylberi. »Glauben Sie, dass Ihr Mann tot ist?«, fragte er.
»Wie soll ich das wissen?«, gab sie verwundert zurück.
Ylberi merkte, dass sich Frau Rühl-Brossard munitionierte.
»Ich werde mit lauter unerklärlichen Situationen konfrontiert, Herr Staatsanwalt. Sie stellen mir Fragen, deren Beantwortung Ihre Aufgabe ist. Ich kann Ihnen nicht weiter behilflich sein. Ich weiß nicht mehr als das, was ich Ihnen gesagt habe.«
»Haben Sie eine Ahnung, wer Franziska Bellgardt getötet haben könnte, wenn der Täter nicht Ihr Mann gewesen sein sollte?«
Dominique runzelte die Stirn.
»Verdächtigen Sie mich?«, keifte sie. »Sie sollten diese fixe Idee ganz schnell wieder vergessen!«
»Dass Sie selbst nicht die Täterin waren, wissen wir«, beschwichtigte Ylberi. »Sie haben für die Tatzeit ein Alibi. Sie saßen am späten Abend des 23. Oktober noch mit Mitarbeiterinnen Ihres Studios im Büro. Das ist belegt. – Fühlen Sie sich angegriffen, wenn ich diese Frage stelle?« Der Staatsanwalt sah Dominique lauernd ins Gesicht.
»Ja klar, Frau Rühl-Brossard wird Ihnen jetzt einen Täter präsentieren«, knurrte Löffke. »Was soll diese Frage?«
Ylberi schwenkte um. Der Anwalt hatte recht.
»Eine letzte Frage«, sagte Ylberi weich. »Sie gelten in der Öffentlichkeit wegen Ihres Erfolges als reiche Frau. Ihnen gehören im Kreuzviertel nicht nur das Haus, in dem Sie wohnen und arbeiten, sondern noch zwei weitere Häuser, die vermietet sind. Drei Luxusimmobilien im Jugendstil im besten Wohnviertel. Ein Millionenvermögen, wie ich annehmen darf. Haben Sie jemals kalkuliert, was Sie die Scheidung von Pierre Brossard kosten würde?«
Jetzt schlug Löffke auf den Tisch.
»Das reicht nun! Das geht zu weit«, dröhnte er, griff entschieden zu seinen Büchern und warf sie in demonstrativer Wut in seine Tasche.
»Gnädige Frau, wir haben hier nichts weiter verloren!«, bellte er entrüstet mit gekonnt erhobener Stimme.
Dominique gefiel Löffkes Entschlossenheit, aber sie zauderte. Staatsanwalt Ylberi protestierte nicht gegen das Gebaren ihres Anwalts, er bat nicht einmal zu bleiben oder wenigstens ein Protokoll zu unterschreiben.
»Kann ich Ihnen nicht doch irgendwie helfen?«, fragte Dominique, die instinktiv spürte, dass Ylberi gegen sie arbeitete.
»Offenbar nicht«, antwortete Ylberi lächelnd. »Sie haben mir nichts Neues erzählen können.« Er schüttelte den Kopf. »Oder Sie wollten es nicht«, fügte er bedauernd hinzu.
»Aber Sie stellen nur absurde Fragen«, erwiderte sie verständnislos.
Löffke stand bereits an der Tür und drängte.
»Kommen Sie, Frau Rühl-Brossard! Sie müssen sich diesen Fragen nicht stellen.«
Doch Dominique zögerte noch immer.
»Ich wünschte, ich könnte Ihnen mehr sagen, Herr Ylberi!«, sagte sie.
»Ich hatte selten einen solchen Fall, der in mancher Hinsicht eher ein Theaterstück zu sein scheint«, sagte Ylberi.
»Nach Theater steht mir nicht der Sinn«, erwiderte Dominique ernst.
»Hat Ihr Mann ein rotes Fahrrad?«, fiel Ylberi ein. »Als wir Ihr Haus durchsucht haben, wurde keines gefunden.«
»Non! Er besitzt keines.
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