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Irrliebe

Irrliebe

Titel: Irrliebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Erfmeyer
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geweckt? Ich erwarte Dich noch immer. Lies meinen Brief ein zweites Mal. Vielleicht hast Du ihn nicht sofort verstanden. Es werden Dir viele geantwortet haben, ohne dass sie Deine Hoffnungen erfüllen können. Fass Mut und Vertrauen! Du wirst sehen, dass ich der Richtige für Dich sein kann. Suche Dein Glück bei mir und Du wirst es finden können .
    Aus einer Laune heraus wählte er die angegebene Nummer und war versucht, die Verbindung abzubrechen, als das Freizeichen ertönte, doch der Teilnehmer meldete sich sofort: »Hilbig.«
    Stephan stockte der Atem.
    »Wie bitte?«, fragte er hastig nach.
    »Hilbig«, wiederholte der andere ungeduldig. »Mit wem spreche ich denn?«
    Stephan legte auf. Er sah auf das Display seines Handys. Stephan hatte mit unterdrückter Nummer angerufen. Er versuchte Marie zu erreichen, doch bei ihr antwortete nur die Mailbox. Sie hatte bis 13 Uhr Unterricht.
     
    Eine Dreiviertelstunde später stand Stephan an der Empfangstheke der Redaktion des Magazins Kult-Mund. Die junge Dame hinter der Theke bat freundlich um Geduld, weil die Redaktionskonferenz noch nicht beendet sei. Stephan nutzte die Zeit, sich auf die Fragen vorzubereiten, die er Hilbig stellen wollte.
    Alexander Hilbig gab sich locker wie immer. Als ihm Stephan seine Zuschrift zu 0829 vorlegte, wurde er unruhig und schloss die Tür zu seinem Büro.
    »Ich hatte Sie bei unserem Gespräch so verstanden, dass Sie nicht unbedingt auf Franziskas Anzeige geantwortet hätten. Die Inserentin habe vermutlich einen komplizierten Charakter, sagten Sie. Aber es war unverkennbar, wie sehr Sie diese Anzeige in den Bann gezogen hatte. Ich hätte eher darauf kommen können, dass Sie selbst sich um Franziska bewarben. Sie sitzen ja förmlich an der Quelle, Herr Hilbig! Alle Inserate und alle Zuschriften gehen durch Ihre Hand. – Bleiben Sie dabei, dass Sie die Zuschriften nicht öffnen? Es ist doch ganz einfach, die Briefe zu öffnen, zu lesen, danach in einen neutralen Umschlag zu stecken, die Chiffrenummer drauf zu schreiben und weiter zu machen. Oder vielleicht auch Zuschriften verschwinden zu lassen …«
    »Nein!«, wehrte sich Hilbig. »Sprechen Sie leise, bitte! Es muss uns hier niemand hören.«
    »Warum nicht?«, fragte Stephan. »Es wird die Redaktion interessieren, wie mit den Zuschriften umgegangen wird, die die Leser im Vertrauen auf Wahrung des Briefgeheimnisses hierher senden.«
    »Ich öffne keine Briefe und lasse auch keine verschwinden«, haspelte Hilbig.
    »Vielleicht auch nur bei 0829«, mutmaßte Stephan. »Das war ja die Anzeige, über die Sie sich förmlich ungesehen in die Frau verliebt haben, obwohl Sie mir gegenüber – aus mir jetzt sehr nachvollziehbaren Gründen – genau dies verneint haben.«
    Alexander Hilbig strich sich fahrig durch sein Gesicht.
    »Auch wenn Sie es mir nicht glauben, Herr Knobel: Ich habe keine Zuschrift an 0829 geöffnet oder verschwinden lassen, die diese Chiffrenummer ursprünglich erhalten hat. Ich habe alle Briefe ungeöffnet weitergeleitet. Mir war klar, dass an 0829 jede Menge Post geht, und ich habe einfach nur meine eigene Zuschrift in ein Kuvert gesteckt und dieses mit den anderen Briefen weitergeschickt. Wenn die Frau mich nicht gewollt hat, kann ich es nicht ändern. So etwas lässt sich nicht verhindern. Das Schöne am Chiffreverfahren ist ja gerade, dass man sich allein aufgrund einer Anzeige Hoffnungen machen kann. Man stellt sich unter der Inserentin jemanden vor, macht sich ein Bild und malt sich aus, wie es sein wird, wenn man diese Frau das erste Mal sieht. Ein Stückweit ist es eine Illusion, aber es tut nicht weh, wenn sie zerplatzt, weil sich die Frau nicht meldet oder man beim ersten Kontakt merkt, dass es nicht passt. Man hat nicht mehr investiert als einen Antwortbrief oder ein einmaliges Treffen, das die Sache endgültig klärt. Chiffrekontakte hinterlassen keine gebrochenen Herzen, wenn sich aus ihnen nichts ergibt. Und zugleich ist das Schreiben eines persönlichen Briefes regelmäßig viel interessanter und aussagekräftiger als eine Kontaktanbahnung über die Internetforen. Chiffrebriefe haben noch etwas Romantisches.«
    Stephan verstand, dass Alexander Hilbig nicht nur umfänglich im Chiffreverfahren bewandert war, sondern es auch selbst nutzte.
    »Wie kam es zu Ihrem zweiten Brief an 0829?«, fragte Stephan.
    »Unsere Redaktion erhielt dieses merkwürdige Schreiben an 0829. Sie wissen, es war jener Brief, in dem das persönliche Schreiben nicht nochmals in einem

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