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Irrliebe

Irrliebe

Titel: Irrliebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Erfmeyer
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gesondert geschlossenen Umschlag steckte und das wir nach meiner Aussage vermeintlich nie erhalten haben. Die Chiffrenummer und unsere Redaktionsadresse standen direkt auf dem Schreiben, und so habe ich es doch zwangsläufig gelesen, Herr Knobel! Sicher hätte ich es sofort eintüten können, als ich den Briefumschlag geöffnet und gemerkt hatte, dass mich der weitere Inhalt gar nichts anging. Aber ich gebe zu, dass ich es getan habe. Und ich verstand, dass derjenige, der diesen Brief geschrieben hatte, damals der Gewinner bei 0829 war, sich die Beziehung aber erledigt hatte. Also dachte ich, dass ich vielleicht eine zweite Chance hätte und verfasste meinen eigenen zweiten Brief. Der Brief war aber weniger leidenschaftlich, weil die gute Frau von meinem ersten Brief nicht überzeugt schien, denn sonst hätte sie sich ja gleich bei mir gemeldet.«
    »Und den Brief von diesem Pierre haben Sie nicht weitergeleitet«, folgerte Stephan.
    »Der Brief war immer noch so persönlich, und ich spürte ja, dass dieser Pierre keinen Kontakt mehr wollte, auf der anderen Seite Franziska aber noch an ihm zu kleben schien«, antwortete Hilbig. »Also dachte ich, dass sie sich vielleicht eher von Pierre lösen würde, wenn es keinen weiteren Brief von ihm gäbe. Ich stellte mir vor, dass sie ein Schweigen noch mehr verletzen würde als ein solcher Brief, in dem ein Abschied erklärt werden sollte. Also warf ich Pierres Brief weg und schrieb meinen eigenen, also meinen zweiten Brief, und sandte ihn noch am selben Tag ab.«
    »Merkwürdige Idee, wie Sie 0829 erobern wollten«, meinte Stephan.
    »Es war eine beschissene Idee, ich weiß«, gab Hilbig zu. Er sah eine Weile gedankenverloren vor sich hin.
    »Werden Sie es der Geschäftsführung sagen?«, fragte er ängstlich. »Es war wirklich das einzige Mal, dass so etwas passiert ist. Ich schütze die Inserenten und diejenigen, die darauf antworten. Das schwöre ich.«
    Stephan lächelte über den albern klingenden Schwur und schüttelte den Kopf.
    »Also werden Sie es melden«, sagte Hilbig tonlos.
    »Nein, ich werde es nicht tun«, beruhigte Stephan. »Was wissen Sie über den Absender des Briefes von Pierre?«, fragte er weiter.
    »Der Brief ging hier am 16. Oktober ein. Ich weiß es noch genau, weil an diesem Tag Redaktionskonferenz war und ich zuvor die ganzen Posteingänge des Tages erhalten hatte, die für meine Abteilung bestimmt waren. Gewöhnlich kommen die meisten Zuschriften zu den Chiffreanzeigen kurz nach der Veröffentlichung einer jeden Ausgabe von Kult-Mund. Ich würde sagen, das Kerngeschäft zieht sich dann über etwa eine Woche hin. Danach wird es deutlich weniger, und etwa ab Mitte eines jeden Monats trudeln nur noch vereinzelt Briefe ein. Es sind Nachzügler, die die Inserate später gelesen oder sich erst später entschlossen haben, darauf zu antworten. Darum fiel mir das an 0829 gesandte Schreiben auch besonders auf, denn es waren an dem Tag insgesamt vielleicht nur fünf oder sechs Zuschriften zu unterschiedlichen Chiffrenummern. Natürlich war ich elektrisiert, als ich 0829 darauf las und noch überraschter, als ich den an unsere Redaktion adressierten Brief las. Ich weiß das noch sehr genau, Herr Knobel.«
    »Was wissen Sie über den Absender?«
    »Er kam aus Bochum«, antwortete Hilbig prompt.
    Stephan stutzte.
    »Woher wissen Sie das?«
    »Vom Poststempel auf dem Briefumschlag«, antwortete Hilbig wie selbstverständlich. »Ich hatte mich ja gewundert, dass das Schreiben an Franziska nicht verschlossen war, und als ich es gelesen hatte, wollte ich mehr über diesen Pierre erfahren, der den Brief verfasst hatte. Und so habe ich auf den Briefumschlag gesehen, der ohne Zweifel einen Absenderstempel aus Bochum trug. Ich dachte noch: Da sitzt in Bochum ein Glückspilz, der diese Frau hätte haben können – und lässt sie fallen.«
    »Sie haben den Umschlag nicht zufällig noch?«, fragte Stephan.
    »Nein«, antwortete Hilbig. »Ich sagte doch, das ist alles eine beschissene Idee gewesen. Ich habe den Brief und den Umschlag weggeworfen.«
    »Sie wissen schon, dass Pierre Brossard ausgehungert im Keller eines Hochhausneubaus gefunden wurde«, sagte Stephan streng, »und dass man seine Frau tot vor eben jenem Haus gefunden hat, weil sie von diesem Haus gesprungen oder gestoßen worden ist.«
    Hilbig nickte.
    »Ich weiß«, sagte er leise, »es stand ja groß in der Zeitung. Aber wie sollte ich jetzt noch mit dieser Briefgeschichte kommen? Ich hatte ja schon

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