Irrtum!: 50 Mal Geschichte richtiggestellt
geborgen und untersucht. Mit Hilfe von DNA-Proben von Verwandten konnten die Identitäten des Zaren, seiner Frau und drei seiner vier Töchter zweifelsfrei festgestellt werden. Dass zwei der Toten fehlten, gab alten Gerüchten neue Nahrung: nämlich dass zwei Romanows das Gemetzel wegen des eingenähten Schmucks überlebt hatten und geflohen waren. Erst im August 2007 entdeckte man ein weiteres Grab mit den Überresten zweier weitgehend verbrannter Leichen, die 2008 von verschiedenen Instituten für Gerichtsmedizin zweifelsfrei als die Überreste des Thronfolgers Alexej und seiner Schwester Maria identifiziert wurden. Auch die sterblichen Überreste der vermeintlichen Anastasia aus dem Berliner Landwehrkanal wurden übrigens untersucht: Eindeutig konnte per DNA-Analyse festgestellt werden, dass Anna Anderson keine geborene Romanow war, sondern Franziska Schanzkowski aus Pommern.
Ernst Thälmann war ein würdiger Held der Arbeiterklasse – IRRTUM!
Ernst Thälmann ist im Deutschland des frühen 21. Jahrhunderts noch immer ein höchst präsenter Mann. Zumindest auf dem Gebiet der früheren DDR tragen Straßen und Plätze vieler Städte und Gemeinden weiterhin seinen Namen, in Berlin steht noch immer das riesige Bronzedenkmal Lew Kerbels, das dem Namenspatron eines Vorzeige-Wohnbauprojekts im Osten der Stadt gewidmet wurde. Allerdings gibt es heute weder die vielen Thälmann-Gedenkstätten wie zu Lebzeiten der DDR, noch erhält der Mann das Maß an Aufmerksamkeit, das er im sozialistischen Deutschland genoss, als blutjunge Thälmann-Pioniere fröhlich marschierten und der Satz des dänischen Dichters Andersen Nexö noch etwas galt: »Keinem zweiten Opfer der Bestialität klopfen die breiten Herzen der breiten Schichten derart mit Liebe entgegen wie ihm.«
Als brennender Kommunist und KPD-Vorsitzender war der gebürtige Hamburger Ernst Thälmann unermüdlicher Kämpfer für die kommunistische Sache und gegen die Nationalsozialisten, deren Opfer er schließlich 1944 im KZ Buchenwald wurde. In der DDR wurde er als strahlender Held der Arbeiterklasse und leuchtendes Vorbild für die junge Generation regelrecht vermarktet und bedenkenlos vereinnahmt. Noch Ende der Achtzigerjahre befand Staats- und Parteichef Erich Honecker, das sozialistische Deutschland habe Thälmanns Vermächtnis erfüllt. Für den Kult ihres wichtigsten Helden trieb die DDR erheblichen Aufwand, neun Biographien erschienen in den vier Jahrzehnten ihres Bestehens, ein heroisches Filmepos in zwei Teilen kam hinzu. Thälmann tritt daraus als nobler Arbeiter hervor, der im Dienste der Wahrheit gegen seine Gegner streitet, stets um das Beste bemüht und im Falle eines falschen Weges in der Lage, den Fehler rechtzeitig zu erkennen und umzukehren. Schulkinder merkten sich, dass der Mann schon als Halbwüchsiger eine edle Gesinnung erkennen lässt, wenn er hungrigen Kameraden seine Pausenbrote gibt. Ihn kennzeichnet, was den idealen Kommunisten ausmacht: proletarische Herkunft, Arbeiter mit Verstand, ideologisch unbeirrbar und der Sache treu bis in den Tod. Doch während die biographischen Eckdaten ideal sind, müssen viele Details passend gemacht werden.
Die proletarische Vita Ernst Thälmanns ist zweifellos ohne Makel. 1886 in Altona geboren, arbeitet der Sohn eines Gastwirts und Kolonialwarenhändlers als Kutscher, Hafenarbeiter, Transport- und Landarbeiter. Aber die Fälschungen einiger Biographen begannen schon beim Elternhaus, das zwar proletarisch war, aber keineswegs sozialistisch. Auch Thälmanns Engagement kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs gegen den drohenden Waffengang gerät nicht so strahlend wie später dargestellt, und nicht einmal die eigenen Anhänger lassen sich davon beeindrucken – die Kriegsbegeisterung hat alle Schichten ergriffen. Nicht recht zusammen passen auch die verschiedenen soldatischen Auszeichnungen zu seinem angeblichen Widerstand gegen den verhassten »Krieg der Reichen« noch an vorderster Front. Zwar gibt es Hinweise auf soldatische Bummelei, jedoch nicht, wie später behauptet, auf Agitation bei den Kameraden; wohl aber verlässt Thälmann die Truppe im selben Rang eines Gefreiten, in dem er Anfang 1915 eingezogen wurde. Nach dem Krieg tritt er den Unabhängigen Sozialdemokraten (USPD) bei, einer Parteineugründung ehemaliger SPD-Mitglieder. Rasch steigt er nach der Vereinigung von USPD und KPD in der Partei auf, bis er 1924 Reichstagsabgeordneter und 1925 KPD-Vorsitzender wird sowie mehrmaliger Kandidat für
Weitere Kostenlose Bücher