Irrtum!: 50 Mal Geschichte richtiggestellt
die Sache nicht nur vertrackt, sondern auch heikel. Aber wie stark oder schwach war die DDR tatsächlich?
Es ist immer eine Frage des Vergleichs. 1980 hatte die DDR ein Wohlstandsniveau erreicht, welches im staatssozialistischen Wirtschaftsraum des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) seinesgleichen suchte und auch das des sowjetischen Vorbilds übertraf. Das ließ sich an den Konsumzahlen ebenso ablesen wie am Neid in den »sozialistischen Bruderstaaten«. Die Versorgung mit Autos beispielsweise übertraf alle anderen RGW-Länder, nirgendwo sonst jenseits des Eisernen Vorhangs verfügten mehr Menschen über eigene vier Räder, etwas mehr als die Hälfte der Haushalte. Diese eindrucksvolle Bilanz aber wirkte kläglich im Vergleich zu den westlichen Ländern mit ihrer funktionierenden Marktwirtschaft. Gegen das freie Spiel der Märkte, gegen den ordnenden Einfluss von Angebot und Nachfrage, gegen ein gesundes Preisbildungssystem und den Anreiz an die Produktivität gekoppelter Löhne konnte die starre sozialistische Planwirtschaft nur schlecht aussehen. Die DDR-Bürger aber verglichen ihren Lebensstandard vorzugsweise mit dem ihrer Landsleute aus dem Westen, wie sie ihn von Verwandten oder aus dem Westfernsehen kannten. Ebenso war für die Politiker der wohlstandsgesättigte dicke Bruder im Westen das Maß aller Dinge.
Dabei waren bei Kriegsende die wirtschaftlichen Ausgangsbedingungen in beiden Teilen Deutschlands durchaus vergleichbar gewesen. Dem leichten Vorteil der Sowjetischen Besatzungszone in Form von etwas geringeren Kriegszerstörungen stand entgegen, dass der Osten traditionell mehr auf gesamtdeutsche Wirtschaftsstrukturen angewiesen war als der Westen. Die faktische Trennung in zwei Wirtschaftsräume schuf in der SBZ also die größeren Probleme. Rasch aber schlug die schonungslose Reparationspolitik der Besatzungsmacht Sowjetunion, die ganze Fertigungsanlagen nach Russland verladen ließ, für die spätere DDR negativ zu Buche. In dieser schwierigen Lage wurde die Wirtschaft gemäß sozialistischer Lehre auf Plan getrimmt – mit dem Ziel rascher Modernisierung nebst Produktionssteigerung. Dem Ideal nach sollten objektiv erstellte Vorgaben auf alle Bereiche der Wirtschaft einwirken und wie bei einem präzisen gesamtwirtschaftlichen Uhrwerk alle Zahnräder exakt ineinandergreifen, um zum Wohl der sozialistischen Gesellschaft optimale Ergebnisse zu erzielen. Die Lenkung durch Staat und Partei mit dem Instrument der Staatlichen Plankommission (SPK) war ein Credo staatssozialistischer Wirtschaftspolitik und als solches nahezu unangreifbar.
Die ideologisch bedingte und unflexible Wirtschaftspolitik nach sowjetischem Vorbild lähmte die Entwicklung in der jungen DDR – dynamische Wirtschaftsentwicklung ist in einem engen staatlichen Korsett nicht möglich. Hinzu kam, neben den Belastungen infolge der bis in die Fünfzigerjahre anhaltenden Reparationsentnahmen, ein forcierter Aufbau der Schwerindustrie zu Lasten der Konsumgüterproduktion. Aber spätestens seit dem Aufstand des 17. Juni 1953, dessen Anlass der Unmut über die Lebens- und Arbeitsbedingungen war, musste die DDR-Regierung Kompromisse eingehen, weil die Menschen nur mit einem gewissen Maß an Konsummöglichkeiten zufrieden- oder wenigstens ruhigzustellen waren. SED-Chef Ulbricht hatte Vorleistungen der Bevölkerung verlangt, um den Lebensstandard zu heben, doch diese Strategie war nicht aufgegangen. Neben anderen Konsumartikeln wurden nunmehr auch die Weichen für eine Automobilproduktion gestellt – bald kam der Trabant auf den Markt. Ein Mehr an Konsumgütern aber beschränkte die Mittel für dringend nötige Investitionen in andere Sparten.
Als weiterer Hemmschuh erwies sich das Ideal der Vollbeschäftigung in Verbindung mit gleichzeitigem Arbeitskräftemangel und unzureichender Mobilität, was dazu führte, dass oft genug Arbeitskräfte am richtigen Ort fehlten. Desgleichen stellte der faktische Wirtschaftsboykott des Westens infolge des Kalten Krieges die DDR vor Probleme, denn westliche Spitzentechnologie stand auf der Embargoliste. So recht kam ein Aufschwung also nicht in Gang, und die wachsende Unzufriedenheit schlug sich in steigenden Flüchtlingszahlen nieder. Die Staatsführung sah sich schließlich gezwungen, mit dem Bau der Mauer 1961 dem Exodus radikal entgegenzuwirken.
Danach versuchte es Staats- und Parteichef Walter Ulbricht im »Neuen Ökonomischen System« (NÖS) mit Wirtschaftsreformen, die so
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