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Irrtum!: 50 Mal Geschichte richtiggestellt

Irrtum!: 50 Mal Geschichte richtiggestellt

Titel: Irrtum!: 50 Mal Geschichte richtiggestellt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Ingmar Gutberlet
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einer verheerenden Seuche zum Opfer, manchmal nur Stunden nach dem Auftreten der ersten Symptome. Unmittelbar dauerte diese Katastrophe des »Schwarzen Todes« in Europa bis 1353 und entvölkerte den Kontinent, aber noch bis ins 18. Jahrhundert trat die Pest immer wieder auf. Unheilbar, hoch ansteckend und in ihren Ansteckungswegen rätselhaft, gab es keinerlei Schutz vor der Bedrohung. Im Unterschied zu gewohnten Seuchen war die Pest nicht regional begrenzt, sondern fiel nach und nach über ganz Europa her wie ein Raubtier über seine Beute. Aus Angst und Ratlosigkeit und weil niemand wusste, was eigentlich die Krankheit auslöste, wurden allerlei Rezepte und Medikamente gegen die Pest erwogen und empfohlen, so mancher Quacksalber machte mit seinen Mittelchen einen Reibach. Das Elend ließ die Menschen noch mehr als sonst auf Gott und die Kirche hoffen und auf Frömmigkeit als Mittel der Wahl verfallen, Flagellanten zogen sich blutig peitschend durch die Straßen in der Hoffnung, die Wut Gottes dadurch zu mildern. Aus heutiger Sicht schütteln wir über solches Gebaren den Kopf, damals aber schien es angezeigt, weil man Krankheiten, zumal Seuchen, für gottgesandt hielt und als Bestrafung für sündhaftes Treiben verstand.
    Der Blutzoll, den der Schwarze Tod forderte, war ohne Beispiel: Etwa ein Drittel der Europäer, so lauten seriöse Schätzungen der Fachleute, wurden von ihm dahingerafft – das bedeutete nicht nur Traumatisierung der Zurückbleibenden und erhebliche soziale Verwerfungen, es hatte auch massive wirtschaftliche Auswirkungen, durchaus den Folgen verheerender Kriege entsprechend. Und es waren nicht nur Erkrankte, die wegen der Pest zu Tode kamen, sondern ebenso die Opfer von Verelendung und Verrohung. Besonders schlimm waren die Lynchexzesse gegen Juden, die unschuldig als Sündenböcke verfolgt wurden.
    Ursache der Pest war, wie wir heute wissen, die Verbreitung des Bakteriums Yersinia pestis . Wirtstiere, die dem Erreger Lebensraum bieten, sind vor allem Ratten, die ihn untereinander durch Flöhe weitergeben. Mit ihrem Befall wird es für Menschen gefährlich, denn wenn die Ratten massenhaft sterben und die Flöhe sich nach Ersatz für ihre gewohnten Wirtstiere umschauen, wird das Bakterium an die Menschen weitergegeben. Und weil dann auch der Menschenfloh zum Überträger des Bazillus wird, kann er zum weiteren Anstieg der Infektionen beitragen. Flohstiche rufen die Beulenpest hervor, die innerhalb einer Woche auftritt: durch schwarz-blaue Geschwüre und ein Anschwellen der Lymphdrüsen. Die Befindlichkeit verschlechtert sich rasch, extreme Schmerzen, Unwohlsein, Fieber, Erschöpfung folgen. Wenn der Erreger die Blutbahn erreicht, geht die Krankheit aller Wahrscheinlichkeit nach tödlich aus. Eine Tröpfcheninfektion von Mensch zu Mensch wie bei der Grippe führt in einem zweiten Ansteckungsweg noch schneller zum Ausbruch der Lungenpest. Schon nach ein oder zwei Tagen leidet der Infizierte unter Herzrasen, blutigem Auswurf und Atemnot, bis er infolge von Nervenlähmung und Gewebezersetzung in der Lunge qualvoll erstickt. Die Lungenpest verbreitete den größten Schrecken, weil sie mitunter in nur wenigen Stunden Menschen dahinraffte, die eben noch wie das blühende Leben wirkten.
    Wir verfolgen heutzutage Nachrichten über Ansteckungskrankheiten und die möglichen Verbreitungswege. Vor allem die moderne Mobilität und das Reisen mit dem Flugzeug ermöglichen Krankheitserregern eine schnelle Ausbreitung. Flugreisende haben beispielsweise im Kampf der Weltgesundheitsorganisation um die Ausrottung der Kinderlähmung in manchen Regionen jahrzehntelange Arbeit im Handumdrehen zunichtegemacht, weil sie die Erreger erneut einschleppten. Auch die Verbreitung der SARS-Infektion über alle Kontinente zu Anfang des 21. Jahrhunderts geschah vor allem auf dem Luftweg. Im Mittelalter waren die Menschen zwar alles andere als mobil, aber es bestanden internationale Handelskontakte. Deshalb konnte sich die Pest, die zuerst in Asien auftrat, nach Europa ausbreiten.
    Vor allem italienische Handelsstädte horchten auf, als die Nachricht einer schrecklichen Seuche die Runde machte, die die Küstengebiete Chinas und Indiens ergriffen hatte und sich rasch ins Festland hineinbewegte. Immer näher rückte die Bedrohung: Über Innerasien gelangte die Pest ans Schwarze Meer, 1346 erreichte sie mit der Halbinsel Krim erstmals Europa. Sie ergriff Syrien, die Türkei, Ägypten, Griechenland, Russland. Per Schiff gelangten

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